Die Katastrophe
Minuten später war David unten angelangt und kniete neben Ana. Als Katie mit einem Sprung neben ihm landete, hörte sie ihn mehrfach hintereinander fragen: »Ana? Ana, hörst du mich?«
»Was ist mit ihr?«
»Keine Ahnung. Vielleicht eine Gehirnerschütterung?«
»Was ist los?«, hörte Katie Paul rufen.
Ana hatte die Augen geöffnet und starrte sie an, doch Katie war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich bei Bewusstsein war.
David zog Anas Helm ab. Eine tiefe Schramme an der Schläfe war erkennbar.
»Sie hat sich den Kopf angeschlagen. Aber es sieht nicht allzu schlimm aus.« Er tastete nach ihrem Puls. »Ana«, sprach er sie wieder an. »Bist du gestürzt, Ana?«
Zum ersten Mal reagierte das Mädchen. Sie schüttelte den Kopf, wollte etwas sagen, doch das Sprechen fiel ihr offensichtlich schwer. Sie versuchte aufzustehen, aber kaum hatte sie sich aufgerappelt, versagten ihre Beine. Sie ließ sich zurückfallen und plötzlich wurde ihr Körper von einem heftigen Schüttelfrost erschüttert.
David beugte sich besorgt über sie. »Dieser Schüttelfrost kommt nicht von einer Gehirnerschütterung. Das muss etwas anderes sein.«
Anas Zähne schlugen aufeinander und nur mühsam presste sie zwischen den Zähnen hervor: »Alles okay. Aber wir müssen...«
»Ganz ruhig.« David zog seine dicke Jacke aus und legte sie um ihre Schultern. »Wir schaffen das schon.«
Als Ana die rechte Hand hob, um die Jacke um sich zu schlingen, zuckte sie vor Schmerzen zusammen.
»Was ist?« David fasste nach ihrem Arm.
Sie zog ihn hastig zurück. »Nichts.«
Doch David, misstrauisch geworden, löste bereits den Klettverschluss ihres rechten Kletterhandschuhs und streifte ihn ab.
Ana schrie erneut auf.
Entsetzt starrte Katie auf die Hand vor ihr. Der Anblick traf sie wie ein Schlag in die Magengrube. Anas rechte Hand war rot und geschwollen. Katie wunderte sich, dass sie überhaupt noch in den Handschuh gepasst hatte.
David drehte die Handfläche nach außen und deutete auf eine klaffende Wunde auf der Innenseite. »Seit wann hast du die schon?«
»Seit dem verdammten . . . Tunnel.« Anas Zähne schlugen aufeinander. »Irgendetwas... Metall.«
David stieß einen Fluch aus. »Warum bist du nicht zu mir gekommen? Ich hätte die Wunde desinfiziert. Mit einem Sprühverband hättest du schon einen Tag später nichts mehr gespürt.« Er kramte in dem roten Nylonbeutel. »Bist du wenigstens gegen Tetanus geimpft?«
Ana schüttelte den Kopf.
»Könnt ihr mir mal die neuesten Infos geben?« Benjamin stand oben am Rand des Gipfels und hielt die Kamera direkt auf sie gerichtet.
»Bitte«, murmelte Ana. »Er soll aufhören.«
»Wie schlimm ist es? Kann sie weitergehen? Schafft sie es überhaupt nach unten?«
Katie spürte, wie Frustration und Wut sich in ihr zu einer hochexplosiven Mischung verbanden. Und irgendwie schien es, als würde der Wind, der in dieser Höhe nicht zur Ruhe kam, das Feuer noch anfachen.
»Warum hast du nichts gesagt?«, schrie sie Ana an. »Du bist mit dieser Hand hier hoch! Das ist Wahnsinn! Du hast uns alle in Gefahr gebracht!«
»Halt die Klappe, Katie!«, murmelte David. »Das ist jetzt wirklich der falsche Ort und die falsche Zeit für Vorwürfe. Wir müssen so schnell wie möglich zurück.« Er erhob sich und rief nach oben: »Hey, alle mal herhören. Wir müssen leider das Sightseeing abbrechen!«
»Aber wir sind doch gerade erst angekommen«, schrie Benjamin zurück, ohne die Kamera vom Gesicht zu nehmen. »Ich habe mich doch nicht abgerackert, um hier nur fünf Minuten zu stehen. Nicht bei diesem Megaausblick. 3-D-Filme sind echt Schrott gegen das hier. Ehrlich, wenn man hier oben steht, beginnt man zu glauben, dass es noch eine vierte Dimension gibt. Gib mir wenigstens fünf Minuten.«
»Sorry, Ben, Ana geht es nicht gut. Wir steigen ab.«
»Und was ist mit unserer Mission? Was ist mit den verschollenen Studenten? Wir haben noch gar nicht angefangen zu suchen!« In Julias Stimme klang etwas, das Katie aufhorchen ließ. Verzweiflung? Frustration? Sie konnte es nicht recht zuordnen.
David ersparte sich eine Antwort. Stattdessen wandte er sich Katie zu. »Kein Ton über das Ausmaß der Verletzung zu den anderen«, flüsterte er. »Sonst bricht hier die Panik aus. Sie müssen nicht wissen, wie schlimm es ist.« Dann kniete er sich wieder neben Ana. »Ich versorge die Wunde, so gut es geht, und du bekommst erst einmal ein Schmerzmittel. Außerdem gebe ich dir ein Antibiotikum.«
»David, wie
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