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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Mit wem war sie auf den Berg gestiegen? Warum? Und weshalb galt sie als verschollen, wenn sie doch jetzt in Washington D.C. lebte?
    Irgendwann werde ich dich danach fragen, Eomma. Ihre Mutter hatte immer gewollt, dass Katie sie Mum nannte, aber sie hatte sich standhaft geweigert.
    Katies Blick glitt weiter den Gletscher hinunter. Winzig klein, am Berghang gegenüber konnte man die Hütte erkennen. In Anas Zustand würden sie es heute definitiv nicht nach Fields schaffen. Aber sie mussten wenigstens die Hütte erreichen und Katie war dafür verantwortlich.
    Zwar war es erst früher Nachmittag und die Sonne schien noch immer mit voller Kraft, aber der Wind hatte merklich aufgefrischt und es war deutlich kälter geworden. Wenn das Schmelzwasser wieder zu Eis gefror, würden sie auf dem Gletscher bergab nur langsam vorankommen.
    »Okay, Leute, alle mal herhören.« Katie wandte sich um. »Wir müssen über diese Spalte. Ihr wisst, was das bedeutet. Ich habe mir Folgendes überlegt. Paul sichert mit einem Eispickel, Chris springt hinüber und sichert dort ebenfalls. Dann spannen wir ein Seil über die Spalte. Wir klinken Ana mit dem Gurt ein und schaffen sie so über den Abgrund. Ana, meinst du, du schaffst das?«
    Ana schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann springen...«
    David schüttelte energisch den Kopf. »Auf keinen Fall. Viel zu riskant!«
    Chris verschränkte die Arme vor der Brust. »Und das Anseilen etwa nicht?«
    »Hat jemand einen anderen Vorschlag?« Katie sah von einem zum anderen.
    »Ich vertraue Katie«, erklärte Julia und griff nach ihrem Rucksack. »Ich springe zuerst.«
    »Nein, ich!« Benjamin drängte sich vor. »Ich habe in den letzten Tagen und Stunden so viele Monster-Energy-Drinks geschluckt, dass ich jederzeit die Stunts in Superman Returns übernehmen könnte.«
    Für einen kurzen Moment brachen alle in Gelächter aus und die Stimmung hob sich schlagartig.
    Wenn wir zurück sind, dachte Katie, werde ich ihm ein riesiges Menü spendieren. Denn so langsam dämmerte ihr, dass Clowns wie Benjamin unverzichtbar waren für das psychische Überleben der Menschheit.

    Paul hatte den Eispickel eingegraben und war nun dabei, den Schnee festzustampfen und die Sicherung aufzubauen. Die Sonne stand schräg über dem Gipfel des White Soul und brannte Katie direkt ins Gesicht, doch das war nicht der Grund, warum ihr der Schweiß von der Stirn lief. Was, wenn ihr Plan nicht funktionierte? Wenn sie nicht die Kraft hatten, Ana zu halten?
    »Okay, los geht’s!« Paul klinkte den Karabiner in Anas Brustgurt ein. »Du musst dich leider mit beiden Händen am Seil festhalten. Ignorier die Schmerzen. Denk nicht daran. Lenke dich ab. Ich weiß, dass du das kannst.«
    Ana gelang ein jämmerliches Grinsen. »So nach dem Motto ›Ein Indianer kennt keinen Schmerz‹?«
    David richtete sich auf und winkte Chris zu, der auf der anderen Seite der Spalte stand und das Seil straff zog.
    »Los geht’s!«
    David hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als es tatsächlich losging. Doch nichts von dem passierte, was sie geplant hatten.
    Erst sah es ganz harmlos aus – eine fließende lautlose Bewegung am gegenüberliegenden Westhang des White Soul, kilometerweit entfernt, ein Schneebrett, das sich löste. Doch schon wenig später ertönte ein fernes Rauschen, das schnell näher kam und in tiefes Grollen überging.
    »Lawine«, schrie Katie und wollte den anderen eine Warnung zurufen, sich zu ducken. Doch die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als das Sicherungsseil plötzlich durch ihre Hände peitschte. Katie wurde nach vorne gezogen. Gleichzeitig hallte das donnernde Geräusch wie bei einer schweren Explosion von Bergwand zu Bergwand. Das Seil lief weiter ungehindert durch ihre nassen Handschuhe und zog heftig an ihrem Klettergurt. Mit einem Ruck wurde sie nach vorne gerissen und mit der Brust voran rutschte sie direkt auf die Gletscherspalte zu.
    Fast im gleichen Moment verschwammen die Bilder vor ihren Augen. Katies eiskalte Hände versuchten vergeblich, Halt zu finden. Der Funkenregen aus Eissplittern, die ihre Steigeisen verursachten, schlug ihr ins Gesicht.
    Und dann wurde sie in die Tiefe gerissen. Ihr Kopf schleuderte nach hinten, prallte gegen etwas Hartes.
    Das war’s, dachte sie und verlor das Bewusstsein.

    Als Katie wieder zu sich kam, war sie völlig verwirrt. Für einen Moment herrschte absolute Leere in ihrem Kopf. Statt dass die Erinnerung zurückkehrte, fühlte es sich so an, als fiele sie noch immer. Ein

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