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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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gehen wie denen in den Siebzigern. Auf der Kamera wird die Wahrheit zu sehen sein.« Er hielt die Kamera hoch und begann zu filmen: »12. September 2010. In einer Höhe von...«Erhob den Kopf. »Wie hoch sind wir eigentlich?«
    Als niemand antwortete, fuhr Ben fort. »Egal. Wir befinden uns knapp hundert Höhenmeter unterhalb des Gipfels. Mit einem sensationellen Sprung über eine Gletscherspalte, durch die ich in das Auge des Ghost blicken konnte, bin ich auf die andere Seite gelangt. Die Seite, die mich hoch zu diesem Gipfel bringen wird. Und wir alle . . .« Er ließ die Kamera über die entsetzten Gesichter über ihm schweifen. »Wir alle hoffen, sie dort oben zu finden. Die Wahrheit.«
    »Verdammt! Ich sag es ein letztes Mal! Du spielst nicht nur mit deinem Leben!«, fluchte Chris.
    Benjamin ignorierte ihn, stattdessen griff er nach hinten und zog etwas aus der Tasche seiner Hose. »Die letzte Nachricht, die wir von den verschollenen Studenten entdeckt haben, war dieses Foto. Seither fehlt jede Spur von ihnen.«
    Anas Mund war grimmig verzogen, als sie einen Schritt vortrat, direkt an den Abgrund, nach dem Seil griff und es mit einem heftigen Ruck straffzog. Für den Bruchteil einer Sekunde verlor Benjamin das Gleichgewicht, doch er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
    Erst als David sich einmischte, schien er ein Einsehen zu haben. »Das war’s Ben«, sagte David ruhig. »Runter von dem Felsen. Du hast uns genug erschreckt. Ich möchte jetzt endlich dort oben ankommen.«
    Tatsächlich verstaute Benjamin die Kamera wieder im Rucksack und kehrte von dem Felsvorsprung zurück auf den Felsgrat.
    Schweigend kletterten sie weiter, bis Julia sich zu Wort meldete. Offenbar ging ihr Benjamins Auftritt nicht aus dem Kopf. »Wisst ihr, was mir gerade einfällt? Wir haben ja überhaupt keinen Beweis, ob sie es tatsächlich auf den Gipfel geschafft haben.«
    »Spielt das eine Rolle?«, fragte Chris.
    »Ich denke schon!«
    »Aber natürlich spielt das eine Rolle«, rief Ben. »Denn das Ganze ist doch ein Spiel, oder nicht? Wir treten gegen die Vergangenheit an!«
    »Wie meinst du das denn?«, fragte Julia.
    »Angenommen, sie waren auf dem Gipfel, dann gewinnen wir, wenn wir alle heil und gesund zurückkommen.«
    »Scheißspiel«, murmelte Chris.
    »Und wenn sie nicht oben waren?«, fragte Paul.
    »Das bedeutet den Jackpot. Wir schaffen es auf den Gipfel und wir kommen alle gesund zurück ans College.«
    »Und können hoffen, dass Debbie die Klappe gehalten und uns nicht dem Dean gemeldet hat«, murmelte Katie.
    »Gott, Katie, du nimmst in Kauf, dass du hier oben draufgehst, und fürchtest dich vor dem Dean?« David lachte.

    Die letzten Meter verliefen wie im Traum und Katie glitt in den Zustand, den sie um nichts in der Welt missen wollte. Der perfekte Rhythmus von Armen und Beinen. Das Ineinandergreifen der Muskeln. Das Zusammenspiel der Sinne. Das Auslöschen aller bewussten Gedanken. Es war das, was andere Leute Meditation nannten. Nein, es war mehr.
    Es war die totale Hingabe.
    Einzig das Tempo, das Ana vorgab, störte sie in ihrer Trance. Sie war zu langsam, viel zu langsam. Selbst Benjamin kam gut mit und auch Julia zeigte keine Anzeichen von Schwäche.
    Die Gruppe vor ihr stockte vor der Kuppe.
    »Was ist denn los?«, schrie Katie nach vorn.
    »Ana will ein paar Sicherungen anbringen.«
    »He Ana, ist das wirklich nötig?« Auch Chris wurde nun ungeduldig. »Wegen fünf, sechs Metern?«
    »Ein paar Meter können euer Leben kosten.«
    Katie zögerte nur einen Moment. Sie schob sich an Paul vorbei und zog einige Kletterhaken, Klemmkeile und Band-schlingen an ihrem Klettergurt nach vorne.
    »Alles okay?« Katie war bei Ana angelangt. Sie erkannte, wie Schweißtropfen unter ihrer Mütze hervorrannen.
    »Alles klar. Ich will nur kein Risiko eingehen. Ein paar Sicherungen können nicht schaden.«
    »Lass mich das machen«, sagte Katie. »Ich setze einen oder zwei Haken. Das reicht völlig.«
    Wider Erwarten gab Ana sofort nach.
    Und dann stand Paul neben ihr. »Was ist mit Ana?«
    Katie zuckte mit den Schultern.
    Er blickte sie einige Sekunden nachdenklich aus seinen goldbraunen Augen an. »Du hast sie bezahlt, stimmt’s? Du hast sie bezahlt, dass sie uns hier hochbringt!«
    Sie wandte sich um und legte ihre Hand auf die Steinwand.
    So wie Paul es sagte, klang es berechnend. Doch so war es nicht gewesen.
    Ihr rechter Fuß fand einen schmalen Riss im Fels. Sie prüfte ihre Standfestigkeit mit einigen leichten Tritten.

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