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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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unschuldigen Augen zu fragen. Was haben wir euch getan? Wahrscheinlich waren die Kinder für das Gemüsefeld zuständig, und dort blieben sie stehen, während ihnen die Tränen über die Wangen rollten, bis das ruhmreiche katalanische Heer damit fertig war, ihren armseligen Besitz zu zerstören. Als alles vorbei war, war Arnau unfähig, sie anzusehen.
    Das Heer kehrte nach Hause zurück. Die Soldaten zerstreuten sich auf den Straßen Kataloniens, begleitet von Falschspielern, Huren und Händlern, enttäuscht über die Beute, die ihnen entgangen war.
    Barcelona kam näher. Die einzelnen Bürgerheere des Prinzipats bogen in Richtung ihrer Heimatstädte ab, andere würden durch die gräfliche Stadt ziehen. Arnau bemerkte, dass seine Kampfgefährten ihre Schritte beschleunigten, genau wie er selbst es getan hatte. Auf so manchem Soldatengesicht erschien ein Lächeln. Es ging nach Hause. Marias Gesicht tauchte vor ihm auf. »Alles geklärt«, hatte man ihm gesagt. »Aledis wird dich nicht mehr behelligen.« Das war alles, was er wollte, der einzige Grund für seine Flucht.
    Marias Gesicht lächelte ihm zu.

31
    Ende März 1348
Barcelona
    Im Morgengrauen warteten Arnau und die anderen Bastaixos am Strand darauf, eine mallorquinische Galeere zu entladen, die in der Nacht in den Hafen eingelaufen war. Die Zunftmeister teilten ihre Leute ein. Das Meer war ruhig, die Wellen rollten sanft ans Ufer und mahnten die Barcelonesen, ihren Tag zu beginnen. Die Sonnenstrahlen flimmerten auf dem gekräuselten Wasser, und während die Bastaixos darauf warteten, dass die Hafenschiffer die Waren an Land brachten, ließen sie sich vom Zauber des Augenblicks verführen, blickten versonnen zum Horizont und schaukelten sich in Gedanken in den Wellen.
    »Merkwürdig«, sagte einer aus der Gruppe nach einer Weile. »Sie beginnen gar nicht mit dem Entladen.«
    Alle blickten zu der Galeere. Die Hafenschiffer waren zu dem Schiff hinausgerudert. Nun kehrten einige von ihnen leer zum Strand zurück, andere riefen etwas zu den Matrosen an Deck hinüber, von denen einige ins Wasser sprangen und sich an die Boote klammerten. Doch niemand lud die Waren von der Galeere.
    »Die Pest!« Die Rufe der ersten Hafenschiffer waren bereits am Strand zu hören, lange bevor die Boote anlegten. »Die Pest hat Mallorca erreicht!«
    Arnau durchfuhr ein Schauder. War es möglich, dass dieses herrliche Meer ihnen eine solche Nachricht brachte? An einem grauen, stürmischen Tag vielleicht … Doch dieser Morgen schien verzaubert zu sein. Seit Monaten war die Pest Gesprächsthema in Barcelona: Sie wütete im fernen Orient, hatte sich dann nach Westen ausgebreitet und entvölkerte ganze Landstriche.
    »Vielleicht kommt sie nicht bis Barcelona«, sagten einige. »Sie muss das gesamte Mittelmeer überqueren.«
    »Das Meer wird uns schützen«, pflichteten andere bei.
    Monatelang wollte das Volk einfach glauben, dass die Pest nicht bis Barcelona kam.
    Mallorca, dachte Arnau. Sie hatte Mallorca erreicht. Die Seuche hatte Tausende von Meilen über das Mittelmeer zurückgelegt.
    »Die Pest!«, riefen die Hafenschiffer erneut, als sie am Ufer waren.
    Die Bastaixos umringten sie, um zu hören, welche Nachrichten sie brachten. In einem der Boote saß der Kapitän der Galeere.
    »Bringt mich zum Stadtrichter und den Ratsherren der Stadt«, befahl er, nachdem er an Land gesprungen war. »Rasch!«
    Die Zunftmeister folgten seiner Aufforderung. Die übrigen belagerten die Bootsleute.
    »Sie sterben zu Hunderten«, erzählten sie, »es ist furchtbar. Man kann nichts dagegen tun. Kinder, Frauen, Männer, Reiche und Arme, Adlige und einfache Leute … Sogar die Tiere fallen der Plage zum Opfer. Die Leichen häufen sich in den Straßen und verwesen, und die Obrigkeit weiß nicht, was sie tun soll. Die Leute sterben binnen zwei Tagen unter entsetzlichen Schmerzensschreien.«
    Einige Bastaixos liefen in Richtung Stadt, um aufgeregt die schlechten Neuigkeiten zu verkünden. Arnau hörte ängstlich zu. Es hieß, bei den Pestkranken bildeten sich große Eiterbeulen am Hals, in den Achselhöhlen und an den Leisten, die immer größer würden, bis sie schließlich aufbrachen.
    Die Nachricht verbreitete sich in der Stadt, und viele gesellten sich zu der Gruppe am Strand, um eine Weile zuzuhören und dann wieder nach Hause zu laufen.
    Ganz Barcelona war voller Gerüchte. »Wenn sich die Beulen öffnen, springen Dämonen heraus. Die Pestkranken werden verrückt und beißen die Leute. So

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