Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
Vom Netzwerk:
den Leib seines Gegners. Die Schwerthiebe verloren an Kraft, waren aber immer noch gefährlich. Arnau stieß den Dolch noch tiefer. Er spürte die Wärme der Eingeweide an seiner Hand. Der Körper seines Widersachers löste sich vom Boden, der Dolch schlitzte seinen Bauch auf, das Schwert fiel zu Boden, und plötzlich befand sich das Gesicht des Sterbenden genau vor dem seinen. Seine Lippen bewegten sich, ganz nah. Wollte er ihm etwas sagen? Trotz des Kampfgetümmels hörte Arnau sein Röcheln. Dachte er an etwas? Sah er den Tod vor sich? Seine weit aufgerissenen Augen schienen ihn warnen zu wollen, und Arnau drehte sich genau in dem Moment um, als sich ein anderer Verteidiger von Château-Roussillon auf ihn stürzte.
    Arnau zögerte nicht. Sein Dolch fuhr durch die Luft und schlitzte die Kehle seines neuen Gegners auf. Er hörte auf zu denken. Er kämpfte und brüllte, schlug um sich und versenkte seinen Dolch im Fleisch der Gegner, immer und immer wieder, ohne auf ihre Gesichter und ihren Schmerz zu achten.
    Er tötete.
    Als alles vorüber war und die Verteidiger von Château-Roussillon sich ergaben, sah Arnau an sich herunter. Er war blutverschmiert und zitterte vor Anstrengung.
    Er blickte um sich, und beim Anblick der Leichen fiel ihm der Kampf wieder ein. Er hatte keine Zeit gehabt, seine Feinde genauer zu betrachten, an ihr Leid zu denken oder Mitleid mit ihren Seelen zu empfinden. Doch von diesem Moment an begannen die blutüberströmten Gesichter, ihr Recht zu fordern: die Ehre der Besiegten. Arnau würde noch oft an die verschwommenen Gesichter jener zurückdenken, denen sein Dolch den Tod gebracht hatte.
    Mitte August lagerte das Heer erneut zwischen der Burg von Canet und dem Meer. Am 4. August hatte Arnau an der Erstürmung von Château-Roussillon teilgenommen. Zwei Tage später setzte König Pedro III. seine Truppen in Bewegung, und da sich Perpignan weigerte, König Pedro als Herrn anzuerkennen, verwüsteten die Katalanen eine Woche lang das Umland der Hauptstadt des Roussillon, Basoles, Vernet, Soles, Saint Etienne … Auf Befehl des Königs zogen die Truppen durch die Gegend und rodeten Weinberge, Olivenhaine und sämtliche Bäume, die sie fanden. Nur die Feigenbäume wurden verschont – eine Laune des Königs? Sie verbrannten Mühlen und Ernten, zerstörten Felder und Dörfer, doch Perpignan, die Hauptstadt und Zuflucht König Jaimes, belagerten sie nicht.
    15. August 1343
Feierliche Heermesse
    Das gesamte Heer befand sich am Strand, um die Schutzpatronin des Meeres zu preisen. Pedro III. hatte dem Druck des Heiligen Vaters nachgegeben und einen Waffenstillstand mit Jaime von Mallorca ausgehandelt. Die Nachricht machte im Heer die Runde. Arnau hörte nicht zu, was der Priester sagte. Nur wenige taten das, die meisten schauten betrübt drein. Die Jungfrau schenkte Arnau keinen Trost. Er hatte getötet. Er hatte Bäume gefällt. Er hatte vor den verängstigten Blicken der Bauern und ihrer Kinder Weinberge und Felder verwüstet. Er hatte ganze Dörfer zerstört und damit das Zuhause rechtschaffener Menschen. König Jaime hatte seinen Waffenstillstand durchgesetzt und König Pedro hatte klein beigegeben. Arnau erinnerte sich an die Predigten in Santa María del Mar. »Katalonien braucht euch! König Pedro braucht euch! Auf in den Krieg!« Welchen Krieg? Es war ein einziges Gemetzel gewesen. Scharmützel, in denen niemand etwas verlor außer den einfachen Leuten, den treuen Soldaten … und den Kindern, die im nächsten Winter hungern würden, weil es an Getreide fehlte. Was war das für ein Krieg? Ein Krieg, den Bischöfe und Kardinäle als Zuträger listenreicher Könige ausgelöst hatten? Der Priester predigte noch immer, doch Arnau achtete nicht auf seine Worte. Weshalb hatte er töten müssen? Wer hatte etwas von diesen Toten?
    Die Messe war zu Ende. Die Soldaten zerstreuten sich und fanden sich in kleinen Grüppchen zusammen.
    »Und die versprochene Beute?«
    »Perpignan ist reich, sehr reich.«
    »Wie will der König seine Soldaten bezahlen, wenn er schon vorher nicht dazu in der Lage war?«
    Arnau ging ziellos zwischen den Gruppen von Soldaten hin und her. Was interessierte ihn die Beute? Die Blicke der Kinder waren es, die ihm nachgingen, der Blick jenes kleinen Jungen, der, die Hand seiner Schwester umklammernd, zugesehen hatte, wie Arnau und eine Truppe von Soldaten ihr Gemüsefeld verwüsteten und das Getreide zerstreuten, das sie über den Winter bringen sollte. Warum?, schienen seinen

Weitere Kostenlose Bücher