Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
Vom Netzwerk:
schon einmal einen Adligen gesehen, der so lange niederkniet wie du?«, hatte sie ihm schon mehrmals vorgeworfen. Arnau achtete nicht weiter auf sie, doch Elionor trat ihm erneut gegen das Schienbein.
    Das war alles, was er hatte. Eine Frau, für die nichts wichtiger war als der äußere Schein – außer vielleicht, dass er sie zur Mutter machte. Sollte er? Sie wollte nur einen Erben, einen Sohn, der ihre Zukunft sicherte. Elionor stieß ihn erneut an. Als Arnau sie anblickte, sah seine Frau zu den anderen Adligen herüber, die sich in der Kirche Santa María befanden. Einige standen, die meisten jedoch saßen. Nur Arnau kniete.
    »Frevel!«
    Der Schrei hallte durch die ganze Kirche. Die Priester verstummten. Arnau stand auf und alle wandten sich dem Hauptportal zu.
    »Frevel!«, war erneut zu hören.
    Mehrere Männer bahnten sich den Weg zum Altar. »Gotteslästerung! Häresie! Teufel! Juden!«, riefen sie. Sie sprachen mit den Priestern, doch einer von ihnen wandte sich an die Gläubigen: »Die Juden haben eine geweihte Hostie geschändet!«, rief er.
    Ein Raunen ging durch die Menge.
    »Nicht genug damit, dass sie Jesus Christus getötet haben«, rief der Mann vom Altar herab, »nun entweihen sie auch noch seinen Leib!«
    Das anfängliche Raunen schwoll zu einem empörten Geschrei an. Arnau wandte sich zu der Menge um, doch zuvor traf sein Blick auf Elionor.
    »Deine Judenfreunde«, sagte sie.
    Arnau wusste, was seine Gattin meinte. Seit Mars Verheiratung hielt er es zu Hause nicht mehr aus und ging oft abends zu seinem alten Freund Hasdai Crescas, um bis spät in die Nacht mit ihm zu plaudern. Bevor Arnau Elionor eine Antwort geben konnte, begannen auch die anwesenden Adligen und Ratsherren zu diskutieren.
    »Sie wollen Christus noch im Tod Schmerz zufügen«, sagte einer.
    »Sie sind von Gesetzes wegen gezwungen, an Ostern in ihren Häusern zu bleiben und Türen und Fenster geschlossen zu halten. Wie also sollen sie das gemacht haben?«, fragte ein anderer, der neben ihm stand.
    »Sie werden sich davongeschlichen haben«, mutmaßte ein anderer.
    »Und die Kinder?«, setzte ein Dritter hinzu. »Bestimmt haben sie auch ein Christenkind entführt, um es zu kreuzigen und sein Herz zu essen …«
    »Und sein Blut zu trinken.«
    Arnau sah wie gebannt zu dem Grüppchen wutentbrannter Adliger hinüber. Wie konnten sie nur so etwas glauben? Er begegnete erneut Elionors Blick. Sie lächelte.
    »Deine Freunde«, wiederholte seine Frau mit Nachdruck.
    In diesem Moment begann in der Kirche der Ruf nach Rache laut zu werden. »Auf zum Judenviertel!«, stachelten sie sich gegenseitig an, »Ketzer!« und »Gotteslästerer!« brüllend. Arnau sah, wie sie zum Ausgang der Kirche drängten. Die Adligen blieben zurück.
    »Wenn du dich nicht beeilst«, hörte er Elionor sagen, »kommst du nicht mehr ins Judenviertel.«
    Arnau betrachtete seine Frau, dann sah er zu seiner Madonna auf. Das Geschrei begann sich in der Calle de la Mar zu verlieren.
    »Warum dieser Hass, Elionor? Hast du nicht alles, was du willst?«
    »Nein, Arnau, und das weißt du. Ich will das, was du deinen Judenfreunden gibst.«
    »Was meinst du damit?«
    »Dich, Arnau, dich. Du weißt genau, dass du noch nie deinen ehelichen Pflichten nachgekommen bist.«
    Arnau erinnerte sich, wie oft er Elionors Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte, zuerst zaghaft, um sie nicht zu verletzen, später schroff und ohne lange Umschweife.
    »Der König hat mich gezwungen, dich zu heiraten. Von der Befriedigung deiner Bedürfnisse hat er nichts gesagt«, warf er ihr entgegen.
    »Der König vielleicht nicht«, entgegnete sie, »wohl aber die Kirche.«
    »Gott kann mich nicht zwingen, mich zu dir zu legen!«
    Elionor nahm die Worte ihres Mannes mit starrem Blick auf. Dann wandte sie den Kopf langsam in Richtung Hauptaltar. Sie waren alleine in der Kirche zurückgeblieben, mit Ausnahme von drei Priestern, die schweigend die Auseinandersetzung des Ehepaares mitverfolgten. Auch Arnau sah zu den drei Priestern hinüber. Als sich die Blicke der Ehepartner erneut trafen, kniff Elionor die Augen zusammen.
    Sie sagte nichts mehr. Arnau kehrte ihr den Rücken und ging zum Ausgang der Kirche.
    »Geh doch zu deiner jüdischen Geliebten!«, schrie ihm Elionor hinterher.
    Ein Schauder lief Arnau über den Rücken.
    In diesem Jahr bekleidete Arnau erneut das Amt des Seekonsuls. In Festtagskleidung machte er sich auf den Weg zum Judenviertel. Während er durch die Calle de la Mar zur Plaza

Weitere Kostenlose Bücher