Die Kathedrale des Meeres
sie wieder draußen standen, »dürfen wir wiederkommen?«
Der Priester lächelte ihnen zu.
»Natürlich. Aber ich hoffe, dass du deinem Bruder das Beten beigebracht hast, wenn ihr das nächste Mal kommt.« Joanet ließ sich von dem Priester die Wangen tätscheln. »Kommt wieder, wann immer ihr wollt. Ihr seid stets willkommen.«
Angel machte sich auf den Weg zu der Stelle, wo die Steine aufgehäuft lagen. Arnau und Joanet folgten ihm.
»Und wohin geht ihr jetzt?«, fragte Angel und wandte sich zu ihnen um. Die beiden Jungen blickten sich an und zuckten mit den Schultern. »Ihr könnt nicht auf der Baustelle herumlaufen. Wenn der Meister euch sieht …«
»Der Mann mit dem Steinquader?«, unterbrach ihn Arnau.
»Nein«, antwortete Angel lachend. »Das war Ramon, ein Bastaix.« Joanet schloss sich dem fragenden Blick seines Freundes an. »Die Bastaixos sind die Packesel des Meeres; sie tragen die Waren vom Strand zu den Lagerhäusern der Händler und umgekehrt. Sie entladen die Waren, nachdem die Boote sie zum Strand gebracht haben.«
»Dann arbeiten sie nicht in Santa María?«, fragte Arnau.
»Doch. Sie leisten sogar am meisten.« Angel lachte über den ratlosen Gesichtsausdruck der beiden Jungen. »Sie sind einfache Leute ohne finanzielle Mittel, aber fromme Verehrer der Jungfrau vom Meer, frommer als alle anderen. Da sie kein Geld zum Bau beitragen können, hat sich die Zunft der Bastaixos verpflichtet, die Felsblöcke aus dem königlichen Steinbruch am Montjuïc herbeizuschaffen. Sie schleppen sie auf dem Rücken herbei« – Angel sah in die Ferne – »und legen Meilen zurück, beladen mit Steinen, die wir später zu zweit bewegen müssen.«
Arnau dachte an den riesigen Felsbrocken, den der Bastaix auf den Boden gewuchtet hatte.
»Natürlich arbeiten sie für ihre Jungfrau«, beteuerte Angel noch einmal. »Mehr als alle anderen. Jetzt geht spielen«, setzte er dann hinzu, bevor er seinen Weg fortsetzte.
10
»Weshalb bauen sie die Gerüste noch höher?«
Arnau deutete auf den rückwärtigen Teil der Kirche Santa María. Angel sah nach oben und nuschelte eine unverständliche Erklärung, den Mund voller Brot und Käse. Joanet begann zu kichern, Arnau stimmte mit ein, und schließlich konnte sich auch Angel selbst das Lachen nicht verkneifen, bis er sich verschluckte und das Lachen in einen Hustenanfall überging.
Arnau und Joanet gingen jetzt jeden Tag nach Santa María, um in der Kirche niederzuknien. Bestärkt von seiner Mutter, hatte Joanet beschlossen, das Beten zu lernen, und sagte ein ums andere Mal die Gebete auf, die Arnau ihm beibrachte. Wenn die beiden Freunde sich später verabschiedeten, lief der Kleine zu dem Fensterchen und erzählte, wie viel er an diesem Tag gebetet hatte. Arnau hielt stumme Zwiesprache mit seiner Mutter. Nur wenn Pater Albert – denn so hieß der Pfarrer – zu ihnen trat, stimmte er in Joanets Gemurmel ein.
Wenn Arnau und Joanet die Kirche verließen, blieben sie immer in einiger Entfernung stehen, um die Bauarbeiten zu beobachten, die Zimmerleute, Steinmetze und Maurer. Dann hockten sie sich auf den Platz und warteten, bis Angel eine Pause machte und sich zu ihnen setzte, um Brot und Käse zu essen. Pater Albert betrachtete sie mit Wohlwollen, die Arbeiter von Santa María lächelten ihnen zu, und sogar die Bastaixos schenkten den beiden Kindern, die dort vor der Kirche saßen, einen Blick, wenn sie mit Steinen beladen zur Baustelle kamen.
»Weshalb bauen sie die Gerüste noch höher?«, fragte Arnau noch einmal.
Die drei sahen zum hinteren Teil der Kirche hinüber, wo sich die zehn Pfeiler in den Himmel reckten, acht im Halbkreis, zwei etwas weiter weg. Dahinter hatte man mit dem Bau der Streben und der Mauern begonnen, aus denen die Apsis entstehen sollte. Die Pfeiler überragten die kleine romanische Kirche, doch die Gerüste wuchsen immer weiter in die Höhe, als wären die Handwerker verrückt geworden und wollten eine Leiter bis in den Himmel bauen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Angel.
»Diese Gerüste tragen ja gar nichts«, stellte Joanet fest.
»Aber sie werden etwas tragen müssen«, behauptete da eine sichere Männerstimme.
Die drei fuhren herum. Vor lauter Lachen und Husten hatten sie nicht bemerkt, dass hinter ihnen mehrere Männer standen. Einige waren vornehm gekleidet, andere trugen Priestergewänder mit edelsteinbesetzten Goldkreuzen auf der Brust, schweren Ringen und gold- und silberdurchwirkten Schärpen.
Pater Albert sah sie
Weitere Kostenlose Bücher