Die Katze im Taubenschlag
kehrten zu dem Dorf am Fuß jenes Hügels zurück und zu dem Haus auf jenem Hügel. Er erinnerte sich an ein reizendes Gesicht mit vielen Sommersprossen, an ein Sofa mit einer gesprungenen Feder, an eine Meute von Hunden, an Angenehmes und Unangenehmes…
»Natürlich kenne ich Maureen Summerhayes«, sagte er.
»Ich nenne sie Tante Maureen, obwohl sie gar nicht mit mir verwandt ist. Sie erzählte uns, wie wundervoll Sie seien – dass es Ihnen gelungen sei, einen Mann zu retten, der unter Mordverdacht im Gefängnis war, und… und als ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte, bin ich zu Ihnen gekommen.«
»Ich fühle mich sehr geehrt«, versicherte Poirot feierlich.
Er brachte Julia einen Stuhl.
»So, und jetzt möchte ich Sie bitten, mir zu erzählen, was Sie auf dem Herzen haben. Mein Diener George hat mir gesagt, dass es sich um einen, sogar um zwei Morde handelt. Stimmt das?«
»Ja. Miss Springer und Miss Vansittart sind ermordet worden, dazu noch die Entführung…«
»Verzeihen Sie, aber ich kann nicht ganz folgen«, unterbrach Poirot. »Wo hat sich das alles abgespielt?«
»In meiner Schule – in Meadowbank.«
»Meadowbank – tatsächlich«, sagte Poirot. Er streckte seine Hand aus, um eine sorgfältig zusammengefaltete Zeitung zu öffnen. Er überflog die erste Seite, dann nickte er.
»Ich beginne zu begreifen. Darf ich Sie bitten, mir nun alles der Reihe nach zu schildern, mein Kind?«
Julia erzählte ihm alles. Es war ein ausführlicher Bericht, aus dem Poirot den Gang der Ereignisse klar und deutlich ersehen konnte.
Ihre letzten Worte waren:
»Als die Steine gestern Abend aus meinem Tennisschläger auf den Tisch rollten, kam ich mir vor wie Aladin, und nun werde ich sie Ihnen zeigen.«
Julia hob ihren Rock ohne falsche Scham bis zum Schenkel auf.
Jetzt wurde etwas sichtbar, das wie ein grauer Breiumschlag aussah und mit Heftpflasterstreifen auf ihren Oberschenkel geklebt war.
Sie riss die Pflasterstreifen mit einem Ruck ab, wobei sie laut »au« sagte, und legte den Umschlag, den Poirot jetzt als einen grauen Schwammbeutel erkannte, auf den Tisch. Julia öffnete den Beutel resolut, und ein Häufchen glitzernder Juwelen rollte heraus.
»Nom d’un nom d’un nom!«, flüsterte Poirot erregt.
Er ließ die Steine durch seine Finger gleiten. »Nom d’un nom! Sie sind tatsächlich echt!«
Julia nickte.
»Sie müssen echt sein, sonst wäre ihretwegen niemand ermordet worden, nicht wahr? Aber ich kann verstehen, dass man dafür ein Verbrechen begeht«, sagte sie, plötzlich ganz Frau.
Poirot betrachtete sie aufmerksam.
»Ja, der alte Zauber übt auch auf Sie seine Wirkung aus. Leider… leider…«
»Juwelen – kostbare Juwelen«, murmelte Julia hingerissen:
»Die haben Sie also im Griff Ihres Tennisschlägers gefunden. Phantastique!«, sagte Poirot. »Haben Sie mir jetzt alles erzählt?«
»Ich glaube, ja. Vielleicht habe ich gelegentlich ein bisschen übertrieben, denn dazu neige ich leider – im Gegensatz zu meiner Freundin Jennifer.« Julia warf noch einmal einen bewundernden Blick auf die funkelnden Steine. »Wem gehören sie nun wirklich, Monsieur Poirot?«
»Das wird sich wahrscheinlich schwer feststellen lassen. Jedenfalls gehören sie weder Ihnen noch mir. Wir müssen zunächst einmal überlegen, was wir unternehmen wollen.«
Julia sah ihn erwartungsvoll an.
»Sie überlassen mir alles Weitere. Gut.«
Hercule Poirot schloss die Augen.
Nach kurzem Schweigen öffnete er sie wieder und sagte lebhaft: »In diesem Fall wird mir leider nichts anderes übrig bleiben, als selbst einzugreifen. Bei mir muss immer alles seine Ordnung haben, aber die Ereignisse, die Sie mir beschrieben haben, scheinen völlig zusammenhanglos zu sein. Zu viele verschiedene Fäden… verschiedene Menschen mit verschiedenen Zielen und Interessen. Nur eines steht fest: Das Zentrum der Ereignisse ist Meadowbank. Und deshalb muss auch ich unbedingt nach Meadowbank fahren. Und Sie, mein Kind? Wo ist eigentlich Ihre Mutter?«
»Mummy ist mit einem Autobus in Anatolien unterwegs.«
»Anatolien! Il ne manquait que ça! Kein Wunder, dass sie mit Mrs Summerhayes befreundet ist. Hat es Ihnen bei ihr gefallen?«
»Ja, sehr gut. Sie hat prachtvolle Hunde.«
»Die Hunde… ja, ich erinnere mich. Und wie war das Essen?«
»Das Essen war manchmal etwas eigentümlich«, gab Julia zu.
»Eigentümlich ist das richtige Wort.«
»Aber Tante Maureen macht wundervolle Omeletts.«
»Wenn sie wundervolle Omeletts
Weitere Kostenlose Bücher