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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cleveland Amory
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nach Eisbär schlug. Immerhin hatte ich meine Pflicht getan und gestattete Marian großzügig, den Rest zu tun, da mein Anzug dank der gürtellosen Hose immer noch äußerst risque war. Auch sie machte ihre Sache gut. Sie schob sich zwischen mich und den Hund, packte das Ende des Gürtels und zog ihn zum Kamin.
    »Bringen Sie Eisbär ins Schlafzimmer«, befahl sie. »Ich bleibe mit dem Hund hier und fange schon mal an zu telefonieren.«
    Der Schäferhund folgte ihr gehorsam, drehte sich nach Hundeart vor dem Kamin einmal im Kreis und legte sich dann hin. Ich glaube, er war schon fest eingeschlafen, noch ehe Eisbär, der ihn von meiner Schulter aus scharf beobachtete, überhaupt begriffen hatte, was er da tat. Aus irgendeinem Grund machte Eisbär die Selbstverständlichkeit, mit der der Hund sich vor dem Kamin zusammenrollte, noch wütender als der Überfall auf sein Futter. Er fing wieder an, lauthals zu fauchen und dazu, wenn ich nicht irre, zornig zu spucken. Ich ermahnte ihn, gefälligst seine Manieren nicht zu vergessen – der Hund sei immerhin unser Gast. Aber es war verlorene Liebesmüh, und das wußte ich auch. Ohne weiteres Theater nahm ich Eisbär mit ins Schlafzimmer und schloß die Tür. Während er dort wutschnaubend hin und her rannte, ging ich zum Bett und legte mich hin. Ich fühlte mich reif für ein Nickerchen. Schachspielen ist sehr anstrengend – besonders wenn man verliert.
    Beinahe augenblicklich war ich im Traumland. An dieser Stelle möchte ich ein Wort über meine Träume sagen. In jüngeren Jahren hatte ich nicht immer gute Träume, jedenfalls nicht in dem Sinn, daß sie gut ausgingen. Aber sie waren immer gut in dem Sinn, daß sie gut inszeniert waren. Sie hatten einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluß. Immer waren sie mit großem Ensemble besetzt, man kam viel herum in ihnen, und immer war ein hübsches Mädchen dabei. Zwar kriegte man sich am Ende nicht immer, aber was machte das schon aus.
    Heute sind meine Träume – wie viele Dinge meiner Erfahrung nach – nicht mehr das, was sie einmal waren. Sie sind eigentlich nur noch Vergeudung wertvoller Schlafenszeit. Ich habe seit Jahren keinen Traum mehr gehabt, der nicht eine völlig neue Dramaturgie, einen neuen Regisseur und wahrscheinlich auch einen neuen Produzenten hätte vertragen können.
    Der Traum dieses Nachmittags war ein typisches Beispiel. Ich erwartete, vom Schach zu träumen, aber das geschah natürlich nicht. Statt dessen träumte ich von meinem alten englischen Schäferhund. Dagegen hätte ich überhaupt nichts einzuwenden gehabt, wäre es ein Traum der guten altmodischen Art gewesen. Aber so einer wurde es nicht. Der Traum, der mir beschert wurde, war von Anfang bis Ende nichts weiter als eine Komödie der Irrungen, voller Verleumdungen über mich und Brookie.
    Er fing damit an, daß Brookie aus dem Laderaum eines Lastwagens sprang, mich umriß und attackierte. Ausgerechnet Brookie! Der Hund, der nie in seinem Leben mich oder sonst jemanden angegriffen hatte, der es nicht verdiente und den ich vom ersten bis zum letzten Tag seines Lebens von Herzen geliebt habe, ja den ich heute noch liebe. Der Traum wollte mir wohl eine Erinnerung an den Tag von Brookies Ankunft bei uns vorgaukeln, aber in Wirklichkeit ereignete sich alles ganz anders. In Wirklichkeit kam Brookie an einem Weihnachtsmorgen, als ich acht Jahre alt war, in einer großen Kiste in einem Lieferwagen bei uns an. Meine Großmutter hatte ihn mir geschenkt, nachdem ich ihr in einem Bilderbuch über Hunde gezeigt hatte, welcher von den Hunden mir am besten gefiel. Sobald der Lieferwagen vor dem Haus hielt, rannten wir alle hinaus, ich, meine Großmutter, die ganze Familie, und als der Mann mit Hammer und Schraubenzieher den Deckel der Kiste aufstemmte und ich Brookie das erstemal sah, bekam ich vor lauter Aufregung einen Asthmaanfall. Meine Mutter legte mich kurzerhand auf die Straße, und ehe ich’s mich versah, stand Brookie über mir und leckte mir das Gesicht. Aber von einem Angriff konnte keine Rede sein. Es war vielmehr einer der glücklichsten Augenblicke meiner Kindheit.
    Die nächste Szene in meinem verdammten Traum zeigte meinen Bruder und mich bei einem bewaffneten Überfall auf unsere frühere Köchin, und gleich darauf standen wir wegen Aktienschwindels vor Gericht.
    Wieder war in Wirklichkeit alles ganz anders gewesen. Eines Sommers waren mein Bruder und ich knapp bei Kasse und gingen zu meinem Vater, um ihn um ein höheres Taschengeld zu

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