Die Katze namens Eisbär
hatte, da ich Eisbär halten mußte.
Aber Marian wollte von meinen Protesten nichts hören. Sie nahm mir Eisbär ab und wies mich an, nun endlich den Hund an die provisorische Leine zu nehmen. Und so machten wir uns schließlich wieder auf den Weg, voran der Hund – von dem wir hofften, er führe uns in die Richtung, aus der er gekommen war –, und ich hinterher, die eine Hand krampfhaft um den Gürtel, die andere ebenso krampfhaft um meinen Hosenbund gekrallt. Unterwegs unterhielt ich Marian zu ihrer Erbauung mit einer kurzen Zusammenfassung all der prächtigen Eigenschaften des altenglischen Schäferhunds, die auf meinen Erinnerungen an meinen ersten Hund, Brookie, basierte. Ich erzählte, wie lieb diese Hunde seien, wie kinderfreundlich und wie lustig anzusehen, wenn sie vor Freude statt mit dem Stummelschwanz gleich mit dem ganzen Hinterteil wackelten. Man hätte zwar den Eindruck, sagte ich, sie könnten vor lauter Zottelhaar, das ihnen ins Gesicht hing, gar nichts sehen, tatsächlich jedoch besäßen sie sehr scharfe Augen. Ich mußte allerdings zugeben, daß Brookie nie sehr gut gesehen hatte; alles Gute, das ihm begegnete, pflegte er unweigerlich anzubellen oder anzuknurren, alles Schlechte hingegen mit freudigem Hinterteilgewackel zu begrüßen und abzulecken. Zum Schluß erwähnte ich noch, daß diese Hunde ausgesprochen mutig seien und sehr loyal, aber dennoch sehr wanderfreudig, gern streunten und sich daher immer wieder einmal verliefen.
Da es, wie wir wußten, im Park nicht viele altenglische Schäferhunde gab, bestand eine gute Chance, daß wir, wenn schon nicht den Besitzer des Hundes, so doch jemanden finden würden, der ihn kannte und uns zu seinem Besitzer führen konnte. Leider jedoch begann es schon dunkel zu werden, und da der Central Park sehr groß ist, wurden unsere Chancen, den Besitzer des Hundes oder einen seiner Bekannten zu finden, immer geringer. Wir begegneten ganz im Gegenteil nur Leuten, die an uns herumkritisierten. Eine Frau sagte voller Empörung zu mir: »Sie sollten sich schämen! Diese Leine ist für einen so großen Hund viel zu kurz!« Und ein Mann regte sich über Marian und Eisbär auf. »Sehen Sie denn nicht, daß die Katze vor dem Hund Todesangst hat?« sagte er. »Bringen Sie sie doch nach Hause.«
Am Ende entschieden wir uns, den Rat des Mannes zu befolgen. Es war gut möglich, daß der Hundebesitzer längst zu Hause am Telefon saß und sämtliche Tierheime und die Polizei über das Verschwinden seines Hundes informierte. Wir hielten es für das beste, uns ebenfalls ans Telefon zu hängen und den geeigneten Stellen das Auftauchen eines entlaufenen Hundes zu melden.
Eisbär vermerkte mit unverhohlener Entrüstung, daß wir mitsamt dem Hund ins Haus traten und im Aufzug nach oben fuhren. Ihm schwante wohl schon, daß dieses Untier dubioser Herkunft in sein Allerheiligstes eingelassen werden würde. Marian hatte ihn auf dem Arm, als wir in die Wohnung traten, und ich hatte noch immer den Hund an der provisorischen Leine – aber nicht mehr lang. Kaum waren wir im Flur, riß der Hund sich los und rannte schnurstracks in die Küche. Dort schlabberte er erst einmal Eisbärs Wasser auf und machte sich dann über den Napf mit den Katzenbiskuits her, die Eisbär am liebsten fraß. Als Eisbär das mitbekam, stieß er sich laut fauchend mit voller Kraft von Marians Busen ab und sprang mit einem wütenden Satz und langen Krallen auf den Schäferhund los.
Ich bewährte mich auch in dieser Krise. Nicht umsonst war ich einer der besten Fänger der Baseballmannschaft unserer Schule gewesen. Meine Hose völlig vergessend, ging ich instinktiv in die Hocke und streckte blitzschnell ein Bein aus, um den Napf oder, genauer gesagt, den Kopf des Hundes zu schützen, der noch im Napf hing. Gleichzeitig streckte ich mit geöffneten Händen, als wolle ich einen Ball fangen, beide Arme aus, um den durch die Luft fliegenden Angreifer, nämlich Eisbär, zu stoppen. Und ich schaffte es. Eisbär kam nie bis zum Napf, nur mein Fuß donnerte gegen den Kopf des Schäferhunds. Dafür fing ich Eisbär ohne Handschuh und bekam natürlich an beiden Händen einige saftige Kratzer ab.
Dennoch versicherte ich Marian, während ich Eisbär hoch über meinem Kopf hielt, es wäre nichts, nur ein kleiner Kratzer. Nicht einmal der verdiente Moment des Triumphs wurde mir zuteil, da der Hund, der inzwischen das letzte Biskuit verschlungen hatte, nun auch mitspielen wollte und mit beiden tolpatschigen Pfoten
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