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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cleveland Amory
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und Schrecken zuzubringen. Als Haustiere – und sie können hinreißende Haustiere sein, wenn man verständig mit ihnen umgeht – passiert es ihnen allzu häufig, daß sie einfach an die Luft gesetzt werden, und das nicht nur nach Ostern, sondern auch zu anderen Zeiten des Jahres. Im Labor müssen sie grauenhafte Experimente über sich ergehen lassen, nicht zuletzt den berüchtigten Draize-Test am nackten Auge, der nichts anderem dient als der Erprobung kosmetischer Artikel. Und in der Wildnis fehlen ihnen einfach die Waffen, um sich erfolgreich zu schützen, und sie sind ihren zahlreichen Feinden leichte Beute.
    Eisbär benahm sich den Kaninchen gegenüber sehr freundlich; einerseits wohl, weil sie, abgesehen von Peg, die ersten Tiere hier waren, die von gleicher Größe waren wie er; andererseits wohl auch, weil sie offensichtlich vor ihm mehr Bange hatten als er vor ihnen.
    Mir kam bei dieser Beobachtung der Einfall, ihn eines Tages nach Simpsonville in Südkarolina mitzunehmen, wo wir ein ganzes Kaninchenschutzgebiet haben – das einzige im Land, soviel ich weiß. Es wird von einer Frau namens Caroline Gilbert betreut, die über Kaninchen genauso denkt wie ich und dabei zehnmal soviel über sie weiß. Sie hat Hunderte von Kaninchen – ehemalige Hauskaninchen, solche, die zum Training der Greyhounds eingesetzt wurden, ehemalige Versuchskaninchen. Ihre zwei Lieblinge sind Benny und Abbit.
    Benny entdeckte sie auf einer Kaninchenschau, wo er sich wie ein Wilder gegen drei Männer zu verteidigen suchte, die unter dem Gelächter der Zuschauer dieses »blöde« Kaninchen aus dem Käfig zu zerren versuchten. Abbit wurde als Streicheltier auf einem Flohmarkt an eine Frau mit elf Kindern verkauft. Eine Woche später rief die Mutter beim Tierschutzverein an, weil Abbit »nicht mehr spielen« wollte, sondern nur noch dalag. Sie wollte wissen, ob sie, wie sie sich ausdrückte, »ein Ersatzkaninchen« haben und dieses hier zurückgeben könne.
    Nach dem Besuch bei den Kaninchen fuhren wir weiter zu den Neuankömmlingen auf der Ranch. Es war dies eine Gruppe von Tieren, die neun Tage lang ohne Futter und Wasser überlebt hatten. Sie waren, nachdem Mitchell Fox und die »Progressive Animal Welfare Society« erfolgreich für sie gestritten hatten, aus dem Staat Washington zu uns gekommen. Eisbärs Liebling in dieser Gruppe war zu meiner großen Überraschung eins unserer vier Lamas.
    Ein solches Tier hatte Eisbär noch nie gesehen, und ich hatte noch nie erlebt, daß er etwas Neuem gegenüber solche Neugier zeigte. Aber seine nachdrücklichen »Ajaus« waren eindeutig freundlich. Deshalb setzte ich ihn bei dieser Begegnung nicht auf die Erde, sondern behielt ihn auf dem Arm, damit er die Lamas von Angesicht zu Angesicht sehen konnte. Im Gegensatz zu dem, was man uns glauben gemacht hat, spucken nämlich unsere Lamas nicht. Ab und zu allerdings, wenn sie irgend etwas partout nicht tun wollen, was man von ihnen erwartet, können sie bockig sein wie ein Esel und ebenso kräftig ausschlagen. Aber bei guter Laune sind sie die kußfreudigsten Tiere, die man sich vorstellen kann, und darum war ich überhaupt nicht überrascht, als zwei von ihnen angetrottet kamen und Eisbär sofort mit einem Kuß beglücken wollten. Doch so sympathisch sie ihm offensichtlich waren, hier zog er die Grenze. Nachdem er erst warnend mit der Pfote geschlagen hatte, steckte er flugs seinen Kopf unter meine Jacke. Derartige Freiheiten durften sich neue Freunde bei ihm nicht herausnehmen.
    Und noch eine Gruppe Tiere wollte ich ihm zeigen – unsere Wildziegen. Schon als wir uns ihrer Weide näherten, merkte ich, daß Ziegen für Eisbär unbekannte Wesen waren. Noch ehe wir nämlich bei ihnen waren, hörte er sie und spitzte die Ohren auf jene besondere Art, wie er das stets zu tun pflegt, wenn er, wie ich gelernt hatte, Geräusche aufnimmt, die er noch nie gehört hat. Präriehunde zeichnen sich durch ihr klagendes Geheul aus, Esel durch ihr lustiges I-aa, Pferde und Maulesel durch ihr ausdrucksvolles Wiehern und Schnauben; das Meckern der Ziege jedoch ist, wenn auch nicht das melodischste, so doch zweifellos das hartnäckigste Geräusch. Als wir mit ihnen zusammentrafen – sie näherten sich uns so rasch wie wir uns ihnen –, hatte ihr meckernder Willkommenschor eine solche Lautstärke erreicht, daß Eisbär das Gefühl bekam, nicht zurückstehen zu dürfen, und ihnen eines der kräftigsten »Ajaus!« entgegenschmetterte, die ich je von ihm gehört

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