Die Katze namens Eisbär
das er sonst niemals tut.
7. Verlorene Liebesmüh
Durch die Veröffentlichung meines Buches Die Katze, die zur Weihnacht kam im Ausland lernte ich nicht nur viel Neues über Katzen in anderen Ländern, sondern ich erfuhr auch, wieviel in fast allen Ländern über die Katze geschrieben worden ist und immer noch geschrieben wird. Ganz besonders gut gefiel mir das Geschenk einer amerikanischen Schriftstellerin. Sie schickte mir ein Buch mit dem Titel A Cat’s Guide to Shakespeare. Zuerst wußte ich nicht, ob dies ein Buch für Menschen war, die Shakespeare aus dem Blickwinkel der Katze kennenlernen wollten, oder ob es ein Buch für Katzen über Shakespeare war. Als ich es aufschlug, sah ich, daß es keins von beiden war. Es war ein sehr origineller kleiner Band mit Shakespeare-Zitaten, die mit Katzenzeichnungen illustriert waren. Am witzigsten fand ich ein Katzenzitat aus Julius Cäsar. »Im Ernst, Herr, ich bin ein Wundarzt für alte Schuhe…« Eisbär ist nicht nur für alte Schuhe ein Wundarzt, sondern auch für neue. Wenn er welche von mir findet, die ihm gefallen, verarztet er sie schnell und gründlich.
Unter anderem lernte ich aus diesen Katzenbüchern fremder Länder, daß die Anfänge der Katzenliteratur auf Fabeln zurückgehen, die es in nahezu jedem Land gibt. Bei den Skandinaviern, Deutschen und Schweizern ebenso wie beispielsweise in Irland und Rußland und sogar in arabischen Ländern. Die meisten dieser Fabeln geben erheiternde Geschichten wieder, in denen die Katze fast immer als Bösewicht fungiert, und fast alle haben sie – von Aesop bis La Fontaine – eine Moral. Aber die Katze, ob nun als Bösewicht oder als Held, zum Träger der Moral zu machen, ist in meinen Augen verlorene Liebesmüh. Jack Smith von der Los Angeles Times hat sich zu dieser heiklen Frage meiner Ansicht nach recht treffend geäußert. »Ich kann ehrlich behaupten«, schreibt er, »daß ich nie eine moralische Katze gekannt habe.«
Dennoch habe ich an dieser Behauptung etwas auszusetzen. Eisbär besitzt eine Art der Moral, die meiner Meinung nach in vieler Hinsicht ehrlicher ist als die meine. Das puritanische Gewissen hält einen, wie ich oft gesagt habe, nicht davon ab, etwas zu tun, das man nicht tun sollte – es hält einen nur davon ab, es zu genießen. Eisbärs Gewissen hält ihn nicht nur davon ab, etwas zu tun, das er nicht tun sollte, es hält ihn auch nicht davon ab, es gründlich zu genießen.
Beispiele dafür werde ich zu gegebener Zeit anführen, für mich schmerzhafte Beispiele, da sie zum jähen Abbruch zweier verheißungsvoller Liebesbeziehungen führten. Aber bleiben wir zunächst beim Thema – bei der Katzenliteratur. Der französischen Literatur gebührt eindeutig der Preis dafür, die Katze über den Rang eines bloßen Fabelwesens hinausgehoben zu haben. Der französische Dichter und Romancier Théophile Gautier reduzierte mit einem kurzen Wort die gesamte internationale Auseinandersetzung mit der Katze auf nationalistische Dimensionen, als er schrieb: »Nur ein Franzose konnte die feinen und subtilen Eigenschaften der Katze verstehen.«
Eine ganze Schar französischer Autoren gab sich größte Mühe, Monsieur Gautier zu bestätigen, unter ihnen Montaigne, Chateaubriand, Balzac, Baudelaire, Zola, Cocteau, Colette und Vater und Sohn Dumas. Von allen war Colette sicherlich die produktivste Schriftstellerin, vielleicht dank ihrer häufig verkündeten Überzeugung, daß man, wie sie es ausdrückte, »durch den Umgang mit der Katze einzig riskiert, reicher zu werden.«
Die englische Katzenliteratur steht der französischen kaum nach. Die berühmteste Katze ist hier ohne Zweifel Lewis Carrolls wohl vertraute »Edamer« – die Katze, die einmal »ein Grinsen ohne Katze« ist und ein andermal eine Katze, mit der zu sprechen Alice sinnlos findet, »bevor die Ohren da sind oder doch wenigstens eins davon.«
Meine Lieblingsfigur in Alice im Wunderland ist allerdings nicht die Edamer Katze, sondern der Scharfrichter – der Mann, der, als ihm befohlen wird, die Edamer Katze zu köpfen, auf typisch britische Art argumentiert, daß sich ein Kopf nur köpfen lasse, wenn auch ein Leib da sei, von dem man ihn abhacken könne; daß so etwas noch nie jemand von ihm verlangt habe und daß er nicht im Traum daran denke, in seinen Jahren mit dergleichen noch anzufangen.
Aber Carroll war keinesfalls der hervorragendste britische Katzensatiriker. Diese Ehre gebührt dem schottischen Schriftsteller H. H. Munro, besser
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