Die Katze namens Eisbär
bekannt unter dem Namen Saki. In Burma als Sohn eines britischen Offiziers geboren, kam Saki im Alter von zwei Jahren nach England, wo er bei zwei englischen Tanten aufwuchs, deren Strenge und Verständnislosigkeit den Kern vieler seiner Satiren bilden. In diesen Erzählungen vergaß Saki auch die Katzen nicht, und in seiner Kurzgeschichte Tobermory hat er eine klassische Katzengeschichte von zeitloser Gültigkeit geschaffen.
Sie handelt von einem Mann, der entdeckt, daß er Tiere die menschliche Sprache lehren kann, und, nachdem er mit Tausenden von Tieren gearbeitet hat, beschließt, sich nur noch auf Katzen zu beschränken, die, wie Saki schreibt, »sich so großartig an unsere Zivilisation angepaßt und sich dabei doch ihre hochentwickelten wilden Instinkte bewahrt haben.« Der Mann engt seine Suche nach dem idealen Katzenschüler schließlich auf Tobermory ein, einen Kater, den er im Haus der Lady Blemly entdeckt, bei der wir zu Anfang der Geschichte anläßlich einer Gesellschaft eingeführt werden.
Wir merken sofort, daß Tobermory es faustdick hinter den Ohren hat, wenn uns Saki berichtet, daß sein »Lieblingsspaziergang« auf einer »schmalen, ornamentalen Balustrade« verläuft, die nicht nur an den Gästezimmern vorbeiführt, sondern Tobermory auch guten Ausblick auf die Tauben bietet – was mich natürlich sofort an Eisbär erinnerte. Kurz und gut, als die ganze Gesellschaft beim Nachmittagstee versammelt ist, wird Tobermory, den der Hausherr, Sir Wilfred, hereingeholt hat, als erstes gefragt, ob er etwas Milch haben möchte. Darauf antwortet Tobermory: »Ich hätte nichts dagegen.«
Auf die zweite Frage jedoch – was er von der menschlichen Intelligenz hält – hat Tobermory keine Antwort. »Es ist offensichtlich«, schreibt Saki, »daß langweilige Fragen außerhalb seines Denksystems lagen.« Aber nun hat Tobermory selbst eine Frage. »Von wessen Intelligenz im besonderen?« erkundigt er sich. »Nun, von meiner zum Beispiel«, antwortet eine Frau mit einem, wie Saki es beschreibt, »schwachen Lachen.«
»Sie bringen mich in eine peinliche Situation«, erwidert Tobermory und erklärt der Dame dann ohne die geringste Verlegenheit: »Als vorgeschlagen wurde, Sie zu dieser Gesellschaft einzuladen, protestierte Sir Wilfred, daß Sie die hirnloseste Frau seiner Bekanntschaft seien und daß zwischen Gastfreundschaft und Betreuung von Schwachsinnigen ein großer Unterschied bestehe.« Tobermory gibt danach noch weitere Beobachtungen und Charakterstudien zum besten, die schließlich nicht nur das Ende der Gesellschaft, sondern traurigerweise auch das Ende Tobermorys herbeiführen.
Saki, der große Satiriker, der so gekonnt alles Englische aufs Korn nahm, fiel im Alter von sechsundvierzig Jahren im Ersten Weltkrieg an der Westfront. Doch auch schon vor seiner Zeit war die Katze von vielen Autoren in anderen Ländern als Vehikel für die Satire eingesetzt worden. Japan zum Beispiel brachte einen Meister der Satire hervor, in dessen berühmtestem Werk der Protagonist eine Katze ist. Soseki Natsume, Dozent an der Kaiserlichen Universität, schrieb sein Buch mit dem Titel I am a Cat im Jahr 1905. Aber es wird noch heute viel gelesen, und sein Autor wird, wie sein Übersetzer in der Einführung schreibt, allgemein »als der beste Prosaschriftsteller« anerkannt, »den das Land in jenem Jahrhundert, nachdem der Kontakt mit der Außenwelt 1868 wiederaufgenommen worden war, hervorbrachte.«
In der Geschichte geht es um ein namenloses Straßenkätzchen, das im Heim eines, wie es im Klappentext heißt, »mißlaunigen Lehrers mit vielen Interessen, aber mittelmäßigen Fähigkeiten« Unterkunft findet. Während das Kätzchen heranwächst, teilt es uns seine Beobachtungen über die Mängel des japanischen Mittelstands mit und zieht zwischen dem prätentiösen Lehrer und dessen Freunden Vergleiche mit seinen eigenen Freunden, dem »smarten und kraftvollen Rickshah Blackie« und der »eleganten Miß Schildpatt«, die fast immer zu Ungunsten der Menschen ausfallen.
Auch dieses Buch bewegte mich zeitweise sehr, da wir ja alle, wie mir jeder bestätigen wird, der einer Katze gehört, liebend gern wissen würden, was unsere Katze eigentlich von uns hält. Mehr als einmal hatte ich den beunruhigenden Eindruck, daß die strenge Meinung des namenlosen Katers über seinen Lehrer den Ansichten Eisbärs über mich unbehaglich nahe kam. In dunklen Momenten stellte ich mir sogar vor, daß eines Tages, nachdem ich das Zeitliche
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