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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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völlig zu; und nach seinem einsamen und impressiven Standort auf jenem abgelegenen Hügel zu urteilen, hätte es ein Tempel oder Kloster sein können. Ein Schwarm phosphoreszierender Fische im Innern verlieh den kleinen runden Fenstern den Anschein, erleuchtet zu sein, und Carter nahm den Seeleuten ihre Angst nicht weiter übel. Dann bemerkte er im wässerigen Mondlicht einen sonderbar hohen Monolithen in der Mitte des Zentralhofes und sah, daß irgend etwas daran festgebunden war. Und als er, nachdem er sich aus der Kajüte des Kapitäns ein Teleskop besorgt hatte, entdeckte, daß es sich bei dem angebundenen Ding um einen in die Seidenroben Oriabs gekleideten Seemann handelte, den augenlosen Kopf nach unten, war er froh, daß eine schwellende Brise das Schiff bald in gesündere Meeresbreiten vorantrieb. Den nächsten Tag trafen sie ein Schiff unter violetten Segeln, das mit einer Ladung wunderlich gefärbter Lilienknollen nach Zar im Land der vergessenen Träume unterwegs war. Und am Abend des elften Tages kam die Insel Oriab mit dem in der Feme aufragenden, zerrissenen und schneegekrönten Ngranek in Sicht. Oriab ist eine sehr große Insel und ihr Hafen Bahama eine mächtige Stadt. Die Kais von Bahama sind aus Porphyr, und hinter ihnen erhebt sich in gewaltigen Steinterrassen die Stadt mit Stufenstraßen, die häufig von Gebäuden und den Brücken zwischen Gebäuden überwölbt werden. In einem Tunnel mit Granittoren fließt ein immenser Kanal unter der gesamten Stadt hindurch und mündet in den Binnensee Yath, an dessen entfernten Gestaden die ausgedehnten Lehmsteinruinen einer uranfänglichen Stadt liegen, deren Name vergessen ist. Als das Schiff am Abend in den Hafen lief, blinkten die Zwillingssignalfeuer Thonund Thai einen Willkommensgruß, und in der Million Fenster auf Bahamas Terrassen schienen milde Lampen auf, still und allmählich wie die Sterne am Dämmerlümmel, bis zuletzt der steile und ansteigende Seehafen als glitzerndes Sternbild zwischen den Himmelslichtem und den Spiegelungen eben dieser Lichter im stillen Hafenbecken hing.

    Nach dem Anlegen lud der Kapitän Carter als Gast in sein eigenes kleines Haus an den Ufern des Yath-Sees, dort wo sich die Ausläufer der Stadt bis zu ihm hinunterziehen; und seine Frau und seine Diener tischten zum Entzücken des Reisenden fremdartige, schmackhafte Speisen auf. In den folgenden Tagen fragte Carter in allen Tavernen und auf den öffentlichen Plätzen, wo sich die Lavasammler und Steinbildner treffen, nach Gerüchten und Legenden über den Ngranek, aber es gelang ihm nicht, jemanden zu finden, der auf den höhergelegenen Hängen gewesen war oder das herausgemeißelte Gesicht gesehen hatte. Der Ngranek sei ein schwieriger Berg, hinter dem nur ein verfluchtes Tal liege, und außerdem könne man sich nie mit Gewißheit darauf verlassen, daß die Dunkel-Dürren ausschließlich in der Fabel existierten.

    Als der Kapitän nach Dylath-Leen zurücksegelte, quartierte sich Carter in einem alten Wirtshof ein, der auf ein Treppengäßchen in der Altstadt hinausführte, die aus Ziegeln gebaut ist und den Ruinen am entfernten Ufer des Yath-Sees ähnelt. Hier schmiedete er Pläne für die Besteigung des Ngranek und trug alles zusammen, was er von den Lavasammlern über den Weg dorthin erfahren hatte. Der Besitzer der Taverne war ein sehr alter Mann und hatte so viele Legenden gehört, daß er eine große Hilfe bedeutete.

    Er führte Carter sogar in einen Raum im Obergeschoß des alten Hauses und zeigte ihm ein krudes Bild, das ein Reisender in jenen verflossenen Tagen in die Lehmwand geritzt hatte, als sich die Menschen noch kühner und weniger abgeneigt zeigten, die hochgelegenen Ranken des Ngranek aufzusuchen. Der Urgroßvater des alten Tavernenbesitzers hatte von seinem Urgroßvater erzählt bekommen, daß der Reisende, der besagtes Bild einritzte, den Ngranek bestiegen, das gemeißelte Gesicht gesehen und es anschließend hier aufgezeichnet hatte, damit andere es betrachten konnten; doch daran hegte Carter starke Zweifel, denn die großen, rohen Züge auf der Wand waren hastig und sorglos hingeworfen und zudem völlig mit einer Unmenge kleiner, äußerst geschmackloser Begleitfigürchen mit Hörnern, Flügeln, Klauen und Ringelschwänzchen bedeckt.

    Nachdem er zuletzt alle Informationen eingesammelt hatte, die es in den Tavernen und auf den öffentlichen Plätzen von Bahama einzusammeln gab, mietete Carter ein Zebra und brach eines Morgens entlang der Straße am

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