Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
Vom Netzwerk:
Gerücht zu deuten ist. Wahrlich, ich sehe dem Anblick jenes großen Silberschlüssels voll Ungeduld entgegen, denn in seinen kryptischen Arabesken stehen vielleicht alle Ziele und Mysterien eines blinden, unpersönlichen Kosmos symbolisiert.

    Durch die Tore des Silberschlüssels

    In einem weiten Raum, der mit sonderbar gemusterten Wandbehängen ausgekleidet und mit Boukharateppichen von eindrucksvoller Antikheit und Meisterschaft bedeckt war, saßen vier Männer um einen dokumentenübersäten Tisch. Aus den fernen Ecken, wo ein unglaublich alter Neger in düsterer Livree hin und wieder seltsame schmiedeeiserne Dreifüße nachfüllte, stiegen die hypnotischen Dämpfe indischen Weihrauchharzes; während in einer tiefen Nische des Zimmers eine kuriose, sargförmige Standuhr tickte, deren Zifferblatt verwirrende Hieroglyphen trug, und deren vier Zeiger nicht in Übereinstimmung mit irgendeinem auf diesem Planeten bekannten Zeitsystem vorrückten. Es war ein eigenartiger und sinnverstörender Raum, doch dem eben vorliegenden Anlaß wohl angemessen. Denn dort, in New Orleans, im Hause des größten Mystikers, Mathematikers und Orientalisten dieses Kontinents, wurde schließlich der Nachlaß eines kaum weniger bedeutenden Mystikers, Gelehrten, Schriftstellers und Träumers geregelt, der vier Jahre zuvor vom Antlitz der Erde verschwunden war.

    Randolph Carter, der sein ganzes Leben danach getrachtet hatte, aus der Langeweile und den Beschränkungen der wachen Realität in die lockenden Ansichten der Träume und die fabelhaften Prachtstraßen anderer Dimensionen zu entfliehen, entschwand am siebenten Oktober 1928 aus dem Angesicht der Menschen. Seine Laufbahn war wunderlich und einsam gewesen, und da gab es jene Leute, die aus seinen merkwürdigen Romanen auf viele Episoden schlössen, die bizarrer klangen, als alles was von seiner Lebensgeschichte bekannt war. Seine Verbindung zu Harley Warren, dem Mystiker aus South Carolina, dessen Studien in der Naacal-Sprache der Himalayapriester zu so abscheulichen Schlußfolgerungen geführt hatten, war eng gewesen. Es war in der Tat Carter, der zugesehen hatte, wie Harley Warren in einer nebelwahnsinnigen, fürchterlichen Nacht auf einem alten Friedhof in eine feuchte, salpetrige Gruft hinabstieg, um nie wieder herauszukommen. Carter lebte in Boston, doch seine Vorfahren stammten alle aus den wilden, heimgesuchten Bergen hinter dem altersgrauen und hexenverfluchten Arkham. Und inmitten eben dieser alten, kryptisch brütenden Berge war er dann auch endgültig verschwunden.

    Sein alter Diener Parks der Anfang 1930 verstarb hatte von dem sonderbar duftenden und mit gräßlichen Schnitzereien bedeckten Kasten gesprochen, den er in der Dachkammer gefunden hatte, und von dem nicht entzifferbaren Pergament und dem eigenartig verzierten Silberschlüssel, die jener Kasten enthielt. Carter, sagte er, hätte ihm erzählt, daß dieser Schlüssel von seinen Ahnen auf ihn gekommen wäre und ihm helfen würde, die Tore zu seiner verlorenen Kindheit aufzuschließen, und zu fremdartigen Dimensionen und phantastischen Bereichen, die er bisher nur in undeutlichen, kurzen und flüchtigen Träumen aufgesucht habe. Eines Tages dann nahm Carter den Kasten samt Inhalt und fuhr mit seinem Wagen davon, um nie zurückzukehren.

    Leute fanden sein Auto später am Rand einer alten, grasbewachsenen Straße in den Bergen hinter dem zerbröckelnden Arkham in jenen Bergen, wo Carters Vorfahren einst gelebt hatten, und wo der ruinöse Keller des großen Carterschen Anwesens noch immer unter dem Himmel klaffte. In einem nahe gelegenen Hain hoher Ulmen war 1781 ein anderer Carter auf geheimnisvolle Weise verschwunden, und ganz in der Nähe verrottete das Cottage der Hexe Goody Fowler, die hier schon viel früher ihre ominösen Tränke gebraut hatte. Flüchtlinge vor den Salemer Hexenprozessen hatten die Region 1692 besiedelt, und noch heute war sie für vage, ominöse Dinge berüchtigt, die man kaum zu nennen wagte. Edmund Carter war den Schatten des Galgenhügels rechtzeitig entflohen, und die Geschichten über seine Hexerkunststücke gingen in die Legion. Jetzt, so schien es, hatte sich sein einsamer Nachfahr ins Irgendwo aufgemacht, um ihn zu treffen. Im Wagen fanden sie den mit gräßlichen Schnitzereien bedeckten Kasten aus wohlriechendem Holz und das Pergament, das niemand lesen konnte. Der Silberschlüssel war verschwunden -vermutlich zusammen mit Carter.

    Darüber hinaus fehlte jeder sichere Hinweis.

Weitere Kostenlose Bücher