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Die Katzen von Ulthar

Die Katzen von Ulthar

Titel: Die Katzen von Ulthar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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Höhle in einer Höhle auf der fernen, unwirklichen Oberfläche der dreidimensionalen Erde zu sehen geglaubt hatte. Er merkte, daß er den Silberschlüssel benutzt hatte − ihn gemäß eines unwissenden und instinktiven Rituals bewegt hatte, das ziemlich jenem glich, das das Innere Tor geöffnet hatte. Dieses rosentrunkene Meer, das seine Wangen bespülte, war, so begriff er, nichts anderes, als die diamantharte Masse der soliden Mauer, die vor seiner Beschwörung wich, und der Gedankenwirbel, mit dem die Uralten seine Beschwörung unterstützt hatten. Noch immer von Instinkt und blinder Determination geleitet, trieb er vorwärts − und durch das Ultimate Tor.
    IV
    Randolph Carters Durchgang durch das zyklopische Bollwerk der Mauer glich einem schwindelnden Sturz in die maßlosen Schlünde zwischen den Sternen.
    Aus großer Entfernung spürte er triumphale, göttliche Wellen von tödlicher Süße, und danach das Rauschen mächtiger Flügel und Klangimpressionen zirpender und murmelnder Objekte, die auf der Erde oder im Sonnensystem unbekannt sind. Beim Zurückblicken sah er nicht nur ein Tor, sondern eine 116
    ganze Vielzahl von Toren, und an manchen lärmten Formen, an die er sich nicht erinnern mochte.
    Und dann ergriff ihn plötzlich ein tieferes Entsetzen, als es irgendeine der Formen einzuflößen vermochte − ein Entsetzen, dem er nicht entfliehen konnte, weil es mit ihm selbst verknüpft war. Bereits der Erste Torweg hatte ihm einen Teil seiner Stabilität geraubt, ihn über seine körperliche Gestalt und seine Beziehung zu den ihn nebelhaft umgebenden Objekten im Zweifel gelassen, sein Gefühl der Einheit aber nicht beeinträchtigt. Er war noch immer Randolph Carter gewesen, ein fester Punkt im Dimensionsgebrodel. Jetzt, jenseits des Ultimaten Torweges, erkannte er innerhalb eines Augenblicks allesverzehrender Furcht, daß er nicht eine, sondern viele Personen war.
    Er befand sich an vielen Orten gleichzeitig. Auf der Erde des 7. Oktober 1883
    verließ ein kleiner Junge namens Randolph Carter im stillen Abendlicht die Schlangengrube und rannte den felsigen Hang hinab und durch das ineinanderverschränkte Geäst des Obstgartens zum Haus seines Onkels Christopher in den Bergen hinter Arkham; doch im selben Moment, der irgendwie auch in das irdische Jahr 1928 fiel, saß ein vager Schatten, der ebensogut Randolph Carter war, in der transdimensionalen Extension der Erde auf einem Piedestal zwischen den Uralten. Und hier, in dem unbekannten und formlosen kosmischen Abgrund jenseits des Ultimaten Tores war ein dritter Randolph Carter. Und anderswo, inmitten eines Chaos von Szenerien, deren unendliche Mannigfaltigkeit und monströse Ungleichheit ihn dicht an den Rand des Wahnsinns trieben, war eine grenzenlose Vermengung von Wesen, die, wie er wußte, genauso er selbst waren, wie die lokale Manifestation jenseits des Ultimaten Tores.
    Es gab Carters an Schauplätzen aller bekannten und gemutmaßten Zeitalter der Erdgeschichte und in entlegeneren Zeitaltem irdischen Seins, die Wissen, Spekulation und Glaubhaftigkeit überstiegen; Carters sowohl in menschlicher wie nicht menschlicher Gestalt, Vertebraten wie Evertebraten, vernunftbegabte wie geistlose, tierische wie pflanzliche. Und damit nicht genug, da waren Carters, die mit irdischem Leben nichts mehr gemein hatten, sondern sich zügellos vor den Kulissen anderer Planeten, Systeme, Galaxien und kosmischer Kontinua bewegten; Sporen ewigen Lebens drifteten von Welt zu Welt, von Universum zu Universum, und doch waren sie alle er selbst. Manche der flüchtigen Bilder erinnerten an Träume − an sowohl matte wie lebhafte, einmalige wie wiederkehrende − die er durch die langen Jahre, seit er zu träumen begann, gehabt hatte; und einige wenige besaßen eine unheimliche, faszinierende und beinahe grausige Vertrautheit, die keine irdische Logik zu erklären vermochte.
    Angesichts dieser Erkenntnis taumelte Carter in den Klauen äußersten Entsetzens − eines Entsetzens, das nicht einmal der Klimax jener gräßlichen Nacht über ihn gebracht hatte, als unter dem schwindenden Mond zwei Personen in einen uralten und hassenswerten Friedhof eingedrungen waren und nur eine ihn wieder verlassen hatte. Kein Tod , kein Verhängnis, keine Qual ist fähig, jene übermächtige Verzweiflung hervorzurufen, die einem Verlust der Identität entspringt. Das Verschmelzen mit dem Nichts ist friedvolles Vergessen; aber sich der eigenen Existenz bewußt zu sein, und dennoch zu

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