Die Keltennadel
Erwartung wappnete, dass er es gewaltsam in sie schieben würde, hörte sie das Gerät klirrend auf den Betonboden fallen, während Edwards sie mit überschnappender Stimme beschimpfte.
»Du stinkendes Dreckstück… du verfluchte, giftige Blutbeule…«
Jane war so benommen vor Angst, dass sie nicht begriff, was geschah. Er begann zu blöken wie ein verwundetes Tier, und sie merkte, dass er sich entfernte. Sie wagte es, die Augen zu öffnen, und sah, wie er durch den Vorhang zurückwich, die Hände auf Augenhöhe vor sich haltend und nervös von einer zur anderen blickend. An den Händen war Blut.
Als er sich durch den Vorhang schob, erhaschte Jane einen Blick auf den Bereich dahinter. Es sah aus wie das Erdgeschoss einer Scheune – er hielt sie in einem der Verschlage fest, in denen früher Getreide gelagert war. Edwards verschwand aus ihrem Blickfeld, und es klang, als würde er eine Treppe zu einer anderen Ebene des Turms hinaufsteigen.
Als er einige Minuten später wiederkam, war sein Gesicht aschgrau vor Wut. Er hatte sich die Hände gewaschen und trocknete sie nun mit einem Handtuch. Er schritt an ihr vorbei, holte eine Schere aus einer Tasche seines Gewands und schnitt einen der Plastikriemen entzwei, um ihre rechte Hand zu befreien. Dann warf er ihr das Handtuch zu und stürmte wieder hinaus.
75
D ie Musik des Friedenskonzerts erfüllte den Raum, als Taaffe eintrat. Er sah, dass Lavelle schlief, und wollte gerade wieder hinaus gehen, um mit einer der Schwestern zu sprechen, als er eine erschrockene Stimme hinter sich hörte.
»Wie spät ist es? Wo ist Jane?« Taaffe machte kehrt.
Lavelle schlug erregt die Bettdecke zurück. »Ist sie hier? Was ist los?«
»Ganz ruhig, Hochwürden. Worum geht es denn?«
Lavelle schwang die Beine aus dem Bett, während er erklärte, dass Conor Lyons Jane abholen sollte.
»Ja, ich weiß. Das war…«, Taaffe sah auf die Uhr, »vor gut zwei Stunden. Sie muss hier gewesen sein und gesehen haben, dass Sie schlafen. Vielleicht ist sie in die Kantine gegangen.«
Lavelle saß auf der Bettkante und dachte angestrengt nach.
»Das bezweifle ich. Sie hätte bestimmt auf der Stelle die Nachricht von ihrer Schwester lesen wollen.«
»Verdammt. Ich habe mich eigentlich freiwillig für den Bewachungsjob gemeldet, aber ich wurde aufgehalten. Wir mussten mehrere Frauen vernehmen, Prostituierte, die behaupteten, sie seien in der vergangenen Nacht unserem Verdächtigen begegnet. Allerdings kam nichts dabei heraus. Warum versuchen Sie es nicht zuerst auf ihrem Handy, bevor wir etwas unternehmen.«
Lavelle nahm sein Telefon vom Nachtkästchen und tippte Janes Nummer ein. Ihr Apparat war auf die Mailbox umgeleitet.
»Vielleicht ist sie noch im Radio Centre«, meinte Taaffe.
»Haben Sie die Nummer?«
Lavelle nickte und wählte ihren Anschluss, aber auch dort war nur der Anrufbeantworter. Die Ansage enthielt eine Nummer für die Telefonzentrale, und von dort ließ er sich an die Pforte vermitteln. Der Wachmann bestätigte, dass Jane gegangen war und dass ein gewisser Pfarrer Lyons sie abgeholt hatte.
»Dann wissen wir also, dass Lyons sie geholt hat. Aber was zum Teufel hat er dann gemacht?«, wunderte sich Taaffe. »Wir müssen ihn sofort fragen. Lassen Sie mich reden.«
Er wählte eine Nummer, die ihm Lavelle diktierte, und Lyons meldete sich. Taaffe sagte seinen Namen und fragte den Kurat, ob er Jane abgeholt hätte.
»Was?« Taaffe sah entsetzt aus. »Ich glaub’s einfach nicht. Auf wessen Veranlassung? Wer? Was zum Teufel hat der damit zu tun? Bei uns hat kein Bischof angerufen, und Jane Wade ist nicht aufgetaucht. Also wer –? Ich sage Ihnen, Sie stecken ganz schön in der Scheiße, Hochwürden. Wenn ihr etwas zustößt, lassen wir Sie und diesen Bischof verhaften. Jetzt geben Sie mir seine Nummer, und zwar dalli.«
Lavelle hatte verwirrt zugehört. Taaffe notierte die Nummer, die ihm Lyons gab, warf ihn ohne ein weiteres Wort aus der Leitung und erklärte Lavelle, was ihm der Kurat erzählt hatte.
»Er sagt, ein Weihbischof der Diözese hätte ihn gebeten, ein Auge auf die Untersuchung des Falls zu haben. Und dieser Bischof hätte ihn heute angewiesen, Jane nicht abzuholen, er könnte sich damit in Gefahr begeben, und er, der Bischof, würde die Angelegenheit direkt mit uns regeln.«
»Welcher Weihbischof? Hat er einen Namen genannt?«
»Ja. Dominic Kennedy.«
»Lyons ist ein blödes Arschloch«, sagte Lavelle. »Dominic Kennedy ist seit einem halben Jahr in
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