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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Geld stimmte, mein Konto hatte ein beträchtliches Polster, ein gutaussehender, intelligenter, lediger Mann war sozusagen griffbereit, ich war gesund, frei und ungebunden, niemand mäkelte an mir herum, niemand machte mir Vorschriften. Das mit dem Zimmerchen war ein endliches Übel, das mit einem Überfliegen der Wohnungsanzeigen behoben werden konnte. Was also war los mit mir? Ich überdachte es eine Weile und kam zu der Feststellung, die mich schon seit meiner Kindheit verfolgte: Nie passiert was in meinem Leben!
    Nicht, dass ich mir wünschte, irgendetwas sollte mich aus der Bahn werfen. Nein, mir ging dieses alberne Chanson im Kopf herum: »Für mich soll’s rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen …« Es mussten auch nicht rote Rosen sein, aber ich fühlte mich – ja, ich fühlte mich so wenig lebendig. So als Zuschauer eines langweiligen Theaterstücks, in dem keine Handlung stattfand. Genau so war mein Leben geregelt, schön langweilig und überschaubar.
    Ich legte meine Stirn an die kalte Scheibe und dachte darüber nach. Über das Lebendigfühlen. Doch, einmal hatte ich mich richtig lebendig gefühlt. Wenn man heftige Schmerzen zum Lebendigfühlen braucht. Na gut, vor den Schmerzen war auch noch etwas anderes gewesen. Es war schon fast zehn Jahre her, aber mir noch in jeder Einzelheit so gegenwärtig, als wäre es erst eben passiert. Komisch, dass ich jetzt wieder daran dachte. Lange genug hatte ich es verdrängt. Wahrscheinlich war die dumme Bemerkung über den Märchenprinzen schuld daran. Es hatte nämlich jemanden gegeben, der meinen Vorstellungen dazu ziemlich nahegekommen war. Aber nur ziemlich, denn letztendlich hatte sich gezeigt, dass zwischen uns eine absolut unüberwindbare Kluft bestand.
    Robert hieß er, Robert Caspary. Er war Dozent an der Uni, als ich im vierten Semester studierte. Er war weder ein verstaubter Gelehrter wie viele der Dozenten und Professoren, denen man anmerkte, dass das Lästigste an ihrem Beruf das Weitervermitteln von Wissen war, noch einer der ewig Jungen, die von den Studenten nur zu unterscheiden waren, weil sie bei den Vorlesungen manchmal vorne standen. Er las zwar nicht in meinem Fachbereich, denn ich schlug mich mit Betriebswirtschaft herum. Er war Historiker, aber er war auch bei uns bekannt wie ein bunter Hund. Vor allem bei den weiblichen Hörern. Idiotisch, aber wahr. Da bemühte sich eine Gruppe intelligenter Frauen eine Grundlage für ein erfolgreiches Berufslebenzu legen, und gleichzeitig wurde ein Idol angehimmelt. Keine von uns wusste so recht zu deuten, warum. Die schlichteste und vielleicht treffendste Aussage kam von Birgit, meiner Freundin, die einmal sagte: »Was wollt ihr, er ist ein Mann!«
    Ich hatte allerdings hinterher ein paar andere Ausdrücke für ihn übrig, von denen arroganter Macho noch der schmeichelhafteste war.
    Ich hatte nämlich das Pech, nicht nur seine Aufmerksamkeit zu erregen, sondern sogar eine kurze, überaus heftige, mich bis in die Grundfesten aller Gefühle erschütternde Liebesaffäre mit ihm zu durchleiden.
    Sie endete so heftig, wie sie gewesen war. Birgit wurde meine Nachfolgerin.
    Danach wechselte ich die Universität. Und hörte auf, lebendig zu sein.
    Es tat nicht mehr weh, nein, nein. Dafür war die Schale zu dick geworden, die ich um den bitteren Kern hatte wachsen lassen. Aber manchmal, so schien es, drückte dieser Klumpen mir noch auf das Gemüt. Da gab es nur eins – sich wieder den Problemen der Gegenwart stellen! Pläne machen, organisieren, arbeiten.

    Zwei Tage später hatte ich eine schöne Dreizimmerwohnung gefunden. Sie lag zwar ein wenig abseits, eine zentralere Lage in der Stadt hätte mir besser gefallen als der Vorort, aber Preis und Qualität waren einfach überzeugend. An das Vogelgezwitscher vom nahen Waldrand würde ich mich schließlich auch noch gewöhnen. Ausschlaggebend war außerdem, dass die Wohnung sofort bezugsfertig war und ich auch keinen weiteren Renovierungsaufwand betreiben musste. Ich stürzte mich in die Umzugsvorbereitung, um endlich aus dem Provisorium entfliehen zu können. Meine schlechte Laune war dadurch einer gleichbleibendenleichten Anspannung gewichen, die mich die Vergangenheit endgültig vergessen ließ.
    Nur einmal zuckte ich zusammen, nämlich als mir einfiel, dass Robert keine zwanzig Kilometer von hier wohnte. Zumindest war das sein letzter mir bekannter Aufenthaltsort gewesen.

2. Faden, 5. Knoten
    Die Siedlung gedieh, der Wald wich den ersten

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