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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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an denen die schwarzen Muscheln wuchsen, waren mit Wasser bedeckt. Er empfand es als ein immer wiederkehrendes Wunder, dieses Kommen und Gehen des großen Wassers.
    Und als er so mit geschlossenen Augen döste und lauschte, da schien es ihm plötzlich, als betrete er eine andere Welt. Nein, nicht eigentlich anders, das Gras war da, die Möwen und der Himmel. Aber dennoch, Licht und Dunkelheit wechselten plötzlich in schneller Folge, und statt der Wolken zog der Mond über ihm geschwind dahin. Schmal und dünn, bald halb, bald dicker werdend, dann voll und rund, wieder magerer, ausgehöhlt, eine silberne Schale, schließlich dunkel. Seltsam war es schon, dachte der Junge, als er zum Himmel aufsah. Noch einmal wiederholte sich der Tanz des Mondes, doch diesmal tanzte das Meer mit ihm. Es kam und ging, wie der Mond es ihm befahl. Rauschte heran und küsste die Felsen, zog sich zurück in glitzernden Bändern, es kam zurück und schwand. Hin und her, auf und ab, Flut folgte auf Ebbe, Ebbe auf Flut. Die Gezeiten kamen und gingen unter dem sich wandelnden Mond. Und noch ein drittes Mal beobachtete der kleine Junge, wie das Meer und der Mond sich im gleichen Rhythmus bewegten. Doch diesmal lag eine Drohung darin, denn als der Mond dunkel wurde, erhob sich das Meer zu einer gewaltigen Wasserwand. Tosend und stürmend donnerte sie heran und wollte ihn verschlingen.
    »Nein!«, schrie der Junge auf und öffnete die Augen.
    Das glitzernde Wasser rollte in kleinen, schaumigen Wellen an den sandigen, sonnenwarmen Strand unterhalb der Felsen. Keine Wasserwand, kein Mond, nur ein paar Wölkchen bauschten sich am Himmel. Aber der Junge hatte noch immer Angst. Er lief so schnell er konnte den schmalen Weg zurück, der ihn zu den Hütten führte. Hier war er sicher vor der großen Welle. Oder?
    Er sah zurück. Nein, hier war er nicht sicher.
    Er war ein kluger kleiner Junge, der seine Umgebung neugierig wahrnahm. Zu seiner Wahrnehmung gehörte auch das, was er unten am Meer gesehen hatte. Es verwunderte ihn nicht, aber er konnte es sich auch nicht erklären. Er wusste jedoch, dass die Alte diejenige war, die ihm sicher sagen konnte, was der Tanz von Mond und Meer bedeutete.
    Die Mutter des Stammes war uralt geworden. Ihr weißes Haar hing in langen Flechten über das dicke Fell, das sie jetzt auch im warmen Sonnenschein trug. Sie hatte nicht mehr viel eigene Wärme übrig. Aber ihre Augen waren wach, und ihr Wissen war ungeheuer. Sie hörte dem kleinen Jungen nachdenklich zu.
    »Wasser und Mond gehören zusammen«, murmelte sie schließlich. »Ich werde das bedenken. Wie oft kehrte der schwarze Mond wieder, Junge?«
    Er hob Daumen, Zeige – und Mittelfinger. »So viel!«
    Ihm war es zu verdanken, dass bei der großen Herbst-Springflut drei Monate später keiner der neu zugewanderten Menschen ertrank. Sie hatten sich weit in das Innere des Landes zurückgezogen. Und anschließend beobachteten sie immer sehr gut den Mond und den Stand der Gezeiten.
    Der Junge wuchs zum Mann heran, und als die Uralte starb, hatte er sich viel von ihrem Wissen angeeignet. Oft allerdings saß er an dieser Stelle im Gras, dort, wo das Meer an den Felsen brandete. Dort hatte er einen Zugang zu tiefem Wissen gefunden, dort fühlte er den Rhythmus der Natur und wurde eins mit ihm.

3. Faden, 1. Knoten
    Neben dem bemerkenswerten Wulf und dem grauen Schweitzer war Dr. Koenigs Sekretärin diejenige, mit der ich gleich in den ersten Tagen bei KoenigConsult Kontakt hatte. Ich fand Karola Böhmer einerseits nett, andererseits tat sie mir immer ein bisschen leid. Sie war nicht eben das, was man robust nennt. Aber sie war bisher sehr freundlich zu mir gewesen. Doch sie hing wie ein Hungerhaken an ihrem Schreibtisch und hämmerte einen Text in den PC. Mein erster Eindruck war der einer fanatischen Anhängerin naturbelassener Rohkostdiäten, doch zeigte sich später in der Kantine, dass sie auch einer Portion Spaghetti mit Hackfleischsauce gegenüber aufgeschlossen war, was mir mal wieder zeigte, dass ich nicht vorschnell urteilen sollte.
    Jedenfalls war sie damals sofort aufgesprungen, als ich ein wenig unsicher in der Tür stand und nach Dr. Koenig fragte.
    »Sie müssen Frau Farmunt sein, herzlich willkommen bei uns!« Sie streckte mir beide Hände entgegen und strahlte mich an. »Es ist ja ganz schrecklich, aber Dr. Koenig musste heute Morgen völlig unerwartet verreisen, sonst hätte er Sie bestimmt selbst begrüßt. Kommen Sie, ich zeige Ihnen erst einmal Ihr

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