Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
»Gehen Sie schon vor, ich komme gleich nach.«
»Wie Sie wünschen.« Der tätowierte Mann nickte und verschwand.
Endriel wandte sich an Nelen, die neben ihr flatterte. »Hör zu, ich möchte, dass du ...«
»... in der Nähe bleibst und die Augen offen hältst«, vollendete Nelen grinsend.
»Nur für den Fall der Fälle«, fügte Endriel hinzu.
Nelen salutierte. »Mach keinen Blödsinn da drinnen!«
»Mach du keinen Blödsinn hier draußen!« Endriel winkte ihrer Freundin zu und marschierte dann durch die Korridore bis zu Chasus Zimmer. Die Tür wurde ihr von dem Tätowierten aufgehalten. »Herzlichen Dank«, sagte sie und trat ein.
Chasu vom Klan der Keem-Brali war ein alter Skria mit aschgrauem Fell, doch immer noch ein Riese von knapp zweieinhalb Metern. Sein Löwengesicht wurde von einer langen Mähne umrahmt, die von eingewebten Holzperlen geschmückt wurden. Dichtes Fell unter seinem Kinn bildete eine Art von Bart.
Skria hatten nur wenig für Kleidung übrig. So trug Chasu nur eine offene Tunika und einen weißen Kilt, welche die geschmeidigen Muskeln nicht verbergen konnten, die sich unter dem kurzen Fell wölbten.
»Hallo, Chasu.«
Als Endriel eintrat, hellten sich die kleinen, gelben Katzenaugen auf und der Skria offenbarte eine Reihe spitzer Zähne. Ein Lächeln. Er hockte im Schneidersitz auf einem sichtbar wertvollen Kissen, verziert mit Symbolen aus der Mythologie seines Volkes. Seine Hände – eher Pranken – ruhten auf den Knien. Selbst im Sitzen war er fast so groß wie Endriel im Stehen. »Ah, Endriel Naguun, wie schön Sie wiederzusehen! Und noch dazu bei bester Gesundheit!«
Normalerweise verfügten männliche Skria über dunkle, fast dröhnende Stimmen, die direkt aus ihrem tiefsten Inneren herauszudringen schienen. Doch Chasus Stimme war ungewöhnlich hell, fast menschlich – und die gespielte Freundlichkeit ließ sie nur noch gefährlicher wirken. »Bitte, nehmen Sie Platz! Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Er deutete zu einem niedrigen Tisch aus Glas, auf dem zwei Karaffen und einige Gläser standen.
»Nein, vielen Dank.« Endriel setzte sich dem Skria gegenüber auf ein blaues Sitzkissen. Ihr Blick glitt kurz durch das helle Zimmer mit seinen Mosaikwänden in spielerisch bunten Farben. Kunstvoll bestickte Vorhänge schmückten das einzige, große Fenster, das direkt auf die überfüllte Straße blickte. Der kaum wahrnehmbare, aber doch präsente Raubtiergeruch, den alle erwachsenen Skria an sich hatten, lag im Raum.
»Also. Ich würde mich freuen, wenn wir gleich zum Geschäftlichen kommen könnten«, sagte Endriel.
»Mit dem größten Vergnügen«, antwortete Chasu zähnebleckend.
Der Glatzkopf mit den Gesichtstätowierungen marschierte an Endriel vorbei und stellte sich mit einem Schritt Abstand hinter seinen Chef.
Endriel hatte sich bereits bei ihrem ersten Treffen mit dem Skria gewundert, dass er sich ausgerechnet Menschen als Laufburschen und Leibwächter hielt. Vielleicht würde es ihn weniger kümmern, sollte einer von ihnen bei der Verteidigung seines Meisters sein Leben lassen.
Moment, waren es beim letzten Mal nicht zwei gewesen?
»Ich hoffe, meine Informationen waren korrekt?« Chasus Ohren zuckten neugierig. »Es hat mich schließlich einiges gekostet, an sie heranzukommen.«
»Natürlich.« Endriel lächelte selbstsicher. »Keine Weißmäntel, dafür ein paar Amateure als Aufpasser. Und es gab jede Menge hübsche Spielsachen.«
Wieder zeigte der alte Skria seine perlweißen Fangzähne. »Dürfte ich sie Ware sehen?«
»Selbstverständlich«, sagte Endriel, hielt die Tasche aber noch zurück. »Ich habe alles mitgenommen, was ich kriegen konnte ... allerdings musste ich einiges zurücklassen.«
»Nun, Sie hätten auch schwerlich das gesamte Schiff in Ihrem Beutel verschwinden lassen können, nicht wahr?« Chasu lachte, es war ein knurrendes, wildes Geräusch.
»Leider wahr«, antwortete Endriel milde lächelnd.
Chasus Leibwächter/Diener/Was-Auch-Immer trat vor, um ihr die Tasche abzunehmen und seinem Meister zu überreichen. Chasu öffnete sie und zog einen der Geisterkuben hervor, der sich durch die Berührung aktivierte. Das leuchtende Abbild eines Sha Yang füllte den Kristall. Endriel erkannte es sofort wieder. Es war das selbe, das sie heute auf dem Museumsschiff zum Träumen gebracht hatte. Und sie glaubte auch in Chasus Augen ein begeistertes Funkeln zu sehen, als er den Kubus in seiner Hand drehte.
»Wunderschön«, flüsterte der
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