Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
– ein hagerer Mensch, mit kahlgeschorenem Haupt und bunten Tätowierungen im Gesicht – verneigte sich und ging.
Endriel setzte sich auf einen der buntgestreiften Diwans gegenüber einer Fensterwand. Sie schlug die Beine übereinander und beobachtete die Leute, die auf der breiten Straße dahinzogen. Ihre bunte Kleidung leuchtete im Sonnenlicht. Abgesehen von Nelen und ihr, war das von Licht durchflutete Foyer des Hotels leer.
Teriams derzeitige Position lag fünf Zeitzonen westlich von Xarul. Hier war gerade erst früher Nachmittag. Trotz der relativ hohen Zeitdifferenz, spürte Endriel keinerlei Anzeichen für einen Nexuskoller – die innere Uhr kam mit Reisen gen Westen leichter klar, als in die entgegengesetzte Richtung.
»Ich hoffe, der Kerl lässt sich nicht zu viel Zeit.« Nelen baumelte kopfüber von der Decke, wobei sie mit den halbnackten Beinen eine Ranke umklammerte. Es sah aus, als würde ihr das schwarze Haar zu Berge stehen. »Ich bekomme langsam Hunger.«
»Schon wieder? Wir haben doch erst vorhin was gegessen.«
»Sag das nicht mir, sag das meinem Bauch!«
»Wenn das hier vorbei ist, kannst du essen bis du platzt«, tröstete Endriel ihre Freundin. »Die paar Minuten wirst du es wohl noch aushalten.«
»Aber gerade so.« Nelen reckte gelangweilt die Flügel.
Dieses Hotel, in dem sich Chasu für die Dauer seines Aufenthaltes in Teriam niedergelassen hatte, zählte zu den gehobenen Etablissements in Teriam. Von außen erschien es als sandfarbener Quader, gekrönt von Kristallkuppeln. Bereits bei ihrer ersten Begegnung mit Chasu hatte Endriel festgestellt, dass es auf Gäste aller Hohen Völker eingestellt war. Neben dem Haus gab es eine große Terrasse, auf der die Draxyll ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen und stundenlang sonnenbaden konnten. Im Keller war eine beheizte Badehalle eingerichtet, die bevorzugt von Menschen aufgesucht wurde, und an den Decken wucherten Rankpflanzen, die den Yadigästen eine geeignete Möglichkeit zum Ausruhen boten. Sämtliche Türen und andere Durchgänge waren hoch genug, um selbst die riesenhaften Skria passieren zu lassen.
»Ahhh ...« Als Endriel sich zurücklehnte, wurde ihr Rücken von weichen Kissen abgefedert. Die Müdigkeit, die sie während der ganzen Reise ignoriert hatte, spürte sie jetzt deutlich in ihren Knochen.
Nicht einmal der Weg vom Nexus bis zum Hotel war ein Spaziergang gewesen. Sie hatte völlig vergessen, dass heute und an den kommenden zwei Tagen der Große Basar stattfand. Händler und Käufer aus allen Teilen des Planeten hatten sich in der Schwebenden Stadt breitgemacht. Die Straßen waren hoffnungslos überfüllt, die Portale schienen belagert zu werden, und der Gouverneur hatte die Patrouillen der Friedenswächter verdreifacht. Endriel hatte sich buchstäblich durch die Massen schlagen müssen, um voran zu kommen.
Was soll’s . Nur noch dieser eine kleine Botengang und wir haben es hinter uns. Ihre Hand tätschelte liebevoll die Ledertasche neben sich. Nachdem sie und Nelen durch den Nexus getreten waren, hatten sie zuallererst ihr eigenes Hotel am anderen Ende der Stadt aufgesucht. Es war zwar nicht so exklusiv, dafür stellte das Personal keine neugierigen Fragen. Dort hatte Endriel ihre Ausrüstung verstaut und die Artefakte in die wesentlich unauffälligere Tasche gefüllt, bevor sie sich auf den Weg hierher gemacht hatten.
Sie dachte daran, wie einer von Chasus Unterlingen vor über zwei Wochen bei ihr aufgetaucht war, um ihr mitzuteilen, dass sein Herr und Meister eine kleine Herausforderung an ihre Fähigkeiten zu bieten hatte.
Es hatte Endriel nicht überrascht. In den vergangenen drei Jahren waren Nelen und sie insgesamt zwei Dutzend Mal auf Beutezug gegangen, immer im Auftrag anderer. Ihr letzter Auftraggeber, Shu-Xan das Narbengesicht, hatte sie an den Skria weiterempfohlen, kurz bevor die Weißmäntel ihn geschnappt und eingebuchtet hatten.
Sie wusste, dass Chasu neben dem illegalen Handel mit Sha Yang-Artefakten auch einige legale Geschäfte führte, auf alle wichtigen Städte verteilt. Um über seine dunklen Machenschaften hinwegzutäuschen, spendete er regelmäßig Geld an die Friedenswächter.
Schritte erklangen hinter ihrem Rücken und rissen sie aus ihren Gedanken. Sie blickte über die Schulter. Der Unterling war zurückgekehrt und verneigte sich mit zusammengelegten Händen. »Der ehrenwerte Chasu ist nun bereit, Sie zu empfangen.«
»Schön.« Endriel schnappte sich die Tasche und stand auf.
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