Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
etwas! Ablenkungen dieser Art konnte sie jetzt nicht gebrauchen!
»Ist der Kerl noch da?«, fragte sie, während sie sich durch die Massen kämpfte.
»Ja«, flüsterte Nelen zurück. »Glaubst du, es ist einer von Chasus Leuten?«
»Keine Ahnung.« Auf jeden Fall machte sich ein ganz schlechtes Gefühl in Endriels Magengegend breit. Dass es Chasu selbst war, schien ihr ausgeschlossen. Dafür wirkte der Verfolger zu groß, zu kräftig. Dennoch war es ein Skria, ganz klar. Möglicherweise jemand aus seinem Klan? Es war ihr von Anfang an seltsam vorgekommen, dass er sich ausschließlich Menschen als Handlanger halten sollte.
»Vielleicht ist er gar nicht hinter uns her«, überlegte sie laut, allerdings nur, um die eigene Nervosität abzuschwächen. Und wenn sie sich irrte? Was, wenn Chasu sich mittlerweile entschlossen hatte, Endriel Naguun endgültig zum Schweigen zu bringen? Es war das Risiko nicht wert, es herauszufinden. »Aber vielleicht ist es auch besser, erstmal unterzutauchen«, entschied sie nach kurzem Überlegen.
»Da vorn ist eine kleine Gasse!« Nelen zeigte in die genannte Richtung. Ihrer fliegenden Freundin folgend, drängelte sich Endriel durch die Menge bis zum Rand des Basars. Sie entschuldigte sich dutzendfach fürs Anrempeln, und verschwand schließlich im Schatten zwischen zwei Häusern, wo sie sich mit dem Rücken an die Mauer drückte. »Ist er noch da?«, flüsterte sie Nelen zu.
Die Yadi spähte nach draußen. »Ich glaube nicht.« Sie hielt kurz inne. »Scheiße!«
»Was?«
»Er kommt immer näher!«
Endriel hörte ihr Herz pochen. Wortlos einigte sie sich mit Nelen, dass es besser war, tiefer in die Schatten abzutauchen.
Sie waren dort nicht allein.
Sie ist es!, dachte Keru. Kein Zweifel! Er hatte Endriel Naguun niemals persönlich kennengelernt, doch er hatte Bilder von ihr gesehen und eine genaue Beschreibung erhalten.
Endlich. Drei Wochen unermüdlicher Suche hatten ihn quer durch ganz Kenlyn geführt. Nun war die Jagd endlich vorbei. Endlich konnte er sein Versprechen erfüllen.
Keru wollte ihren Namen rufen, sie dazu bringen, endlich stehen zu bleiben. Doch das konnte er nicht. Dafür waren zu viele Leute hier – und ohne sie zu sehen wusste er, dass sich unter den Massen harmloser Bürger auch jene befanden, die ihn kannten und nur darauf warteten, ihre Krallen an ihm zu schärfen.
Dabei ist sie so nah. Nur ein paar Meter.
Etwas traf ihn an der Seite und Keru wirbelte herum. Er starrte in das Gesicht eines alten, bärtigen Menschen, der abwehrend die athritischen Hände hob und angestrengt grinste. »V-Verzeihung!«
Kerus rotes Auge funkelte ihn an, während sein Gegenüber sich tausendmal entschuldigte. Der Angstschweiß des Menschen kroch in seine Nase.
Angewidert wandte Keru sich ab und ließ den Mann das Weite suchen. Als er sich wieder umdrehte, hatte er große Mühe, ein wütendes Brüllen zu unterdrücken: Endriel war wieder verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Keru suchte angestrengt nach der kleinen Yadi, die vorher über ihrem Kopf geflattert war und dafür gesorgt hatte, dass er sie nicht aus den Augen verlor. Doch das kleine geflügelte Wesen war ebenfalls fort.
Verflucht!
Die Gasse war ein Schlachtfeld.
Einen Moment lang stand Endriel wie angewurzelt da und beobachtete die Szene, die sich vor ihr und Nelen abspielte:
Ein purpurfarbener Draxyll in einem Harnisch aus Leder und Stahl warf sich mit einem Messer in der Hand auf einen jungen Menschen, der am Boden lag und aus mehreren Wunden blutete.
Der Mensch winkelte die Beine an und trat seinen Angreifer zurück. Das Reptil prallte mit scheppernder Rüstung gegen die Mauer. Zorn funkelte in seinen kleinen, schwarzen Augen. Sein Schwanz zuckte, der Draxyll zischte, und sein Horn produzierte ein furchterregendes Heulen.
Dann stürzte er sich wieder auf den Menschen. Die Klinge des Messers blitzte auf – doch der Mensch wehrte den Angriff mit einer Armschiene aus Silber ab. Metall biss sich funkenstiebend in Metall, begleitet von einem Kreischen, das Endriel bis in ihre Zähne fühlte. Der Draxyll holte erneut aus, doch bevor er zustechen konnte, trat ihm der Mensch in die Leiste. Das Reptil krümmte sich vor Schmerzen und fletschte die Mahlzähne in seinem flachen Schnabel.
Der Mensch war unbewaffnet. Er lag noch immer an die Mauer gelehnt, sein Atem ging schwer. Endriel glaubte, seinen Herzschlag trommeln zu hören. Offensichtlich war er zu verletzt, um aufzustehen. Seine schwarze Hose und die
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