Die Ketzerbibel
guten Tag. Sie freut sich so! Das musst du sehen!»
Carolus war nicht recht bei der Sache. «Ich muss Catherine sprechen. Was wirst du mit ihr tun?»
«Ich hätte sie am liebsten einsperren lassen, aber Laura hat sich so für sie eingesetzt. Wenn sie ihr vergeben kann … ich bin noch nicht darüber hinweg. Sie ist in ihrer Kammer und traut sich nicht daraus hervor.»
Carolus klopfte an Catherines Tür. Sie machte auf und ließ ihn ein, ging zum Fenster und sah hinaus.
«Du brauchst gar nichts zu sagen. Ich schäme mich entsetzlich. Dein Angebot von gestern soll dich nicht binden. Du musst mich auch nicht aus Mitleid heiraten.»
«Catherine, ich habe es dir versprochen und dazu stehe ich.»
«Nein, ich will nicht», entgegnete sie.
Verstehe einer die Weiber! «Ach?! Was willst du denn nun? Es war alles abgemacht, und wir wären auch schon längst verheiratet, aber du hast immer wieder neue Ausreden gefunden, warum wir noch warten sollten. Du warst es, die gezögert hat!»
«Du hattest es auch nicht eilig», sagte sie.
«Nein, das gebe ich zu. Aber ich hätte es getan, weil es so abgemacht war und ich dich auch gut leiden kann.»
«Gut leiden?», fragte sie leise.
«Ja, was erwartest du? Sieh mir ins Gesicht, Catherine, und sag mir, dass du mich liebst. Dann heirate ich dich auf der Stelle!»
Sie wandte sich zu ihm um. «Nein, du hast recht: ich liebe dich nicht. Und eines ist mir endlich klar geworden: Ich will auch nicht heiraten. Dich nicht und auch sonst keinen anderen. Die vorletzte Nacht mit Laura, das war nur der letzte Tropfen. Ich will das nicht. Das, was zwischen Mann und Frau vorgeht, das Kinderkriegen und all das, es ist mir zuwider. Ich habe schon im Frühjahr um einen Platz im Dominikanerkloster von Aix nachgefragt, und sie wollen mich aufnehmen.»
«Aber warum hast du dann so getan, als ob du gekränkt warst? Warum hast du Danielle in Schwierigkeiten gebracht?»
«Ich war ja gekränkt. Ich war in meinem Stolz verletzt und eifersüchtig. Siehst du, ich wäre gern ins Kloster gegangen in einem Akt des heroischen Verzichts.» Sie lächelte über sich selbst. «Ich wollte diejenige sein, die die Entscheidung trifft. Ich wäre so gerne geliebt worden; ich habe mir gewünscht, dass du dich vor Sehnsucht nach mir verzehren solltest. Das war armselig von mir! Die Nachbarn und die Frauen auf der Straße haben mich mitleidig angeschaut und sich das Maul darüber zerrissen, dass ich eine alte Jungfer werden würde. Sie haben über mich gelacht! Und da war ich blind vor Wut. Da kommt so eine Fremde daher, eine Welsche und eine Bettlerin, und du ziehst sie mir vor – mir! Einer Dame aus guter Familie, mit einer guten Mitgift und – nun ja, ich weiß, ich bin nicht so hübsch wie Laura, aber ich habe doch gemeint …»
«Aber du bist sehr ansehnlich …», unterbrach Carolus, doch Catherine winkte ab. «Ansehnlich, ja. Aber nichthübsch. Ich war wütend auf diese Italienerin, ich habe sie gehasst. Und schlimmer noch: Ich war neidisch auf Laura, auf meine eigene Schwester, die schön ist und die von allen bewundert wird. Solange ich denken kann, war ich unzufrieden, weil ich immer nur die Zweite war, ein Schatten gegen sie. Solange ich auch einen Mann hatte, einen Verlobten, da habe ich mich doch immerhin nicht ganz unbeachtet fühlen müssen. Aber als ich dann hintenherum hören musste, dass du diese Fremde umwirbst, da fühlte ich mich verraten und beiseitegeworfen. Oh, was für ein Durcheinander habe ich nur angerichtet. Verzeih mir!»
«Du musst deshalb nicht in ein Kloster gehen.»
«Aber ich will es so, verstehst du nicht? Das ist für mich das Beste. Im Grunde habe ich es mir immer gewünscht. Und hier kann ich nicht bleiben, nach allem, was geschehen ist. In ein paar Tagen schon werde ich abreisen und nie zurückkehren.»
«Ach, Catherine, ich hatte gehofft, wir könnten Freunde und Kameraden sein.»
«Können Männer und Frauen Freunde sein? Ich glaube es nicht. Ich wünsche mir etwas anderes, eine größere Freundschaft, eine reinere Liebe. Doch ich muss an mir arbeiten, um dessen würdig zu sein. – Und du? Was wirst du nun tun?»
«Ich werde sie suchen.»
«Und ich werde beten, dass du sie findest. Es liegt mir sehr schwer auf dem Gewissen, dass ich sie fortgejagt habe. Geh mit Gott! Finde sie und sag ihr, nein, sprich ihr gar nicht von mir. Werdet so glücklich, wie es Menschen zu sein verstehen.»
So viele Jahre hatten sie sich gekannt, und es gab nichts mehr zu sagen.
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