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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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Sonnenstand ab und beschloss dann, dass es auch für ihn Zeit zum Essen war. Danielle trat in einen düsteren Raum ohne Fenster. Nur durch die Tür fiel etwas Licht. Als sich ihre Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, erkannte sie eine kalte Feuerstelle, eine Bank, die nachts wohl als Bett diente, zwei Schemel, eine rohgezimmerte Truhe, einen Tisch. Auf der Erde krochen zwei Kinder herum, eines etwa zwei, eines drei oder vier Jahre alt. Die Frau holte Fladenbrot aus einem Schrank, der in die Wand eingelassen war, und eine Schüssel mit Olivenbrei, stellte beides auf den Tisch und einen Krug Wasser dazu.
    «Aco, mangar! Vai!»
Sie brach zwei Stücke Brot ab, tauchte sie in die schwarze Paste und gab sie den beiden Kindern. Der Mann stieß Danielle mit dem Ellbogen in die Seite und wies auf das Brot. Sie tat es der Frau nach, brach ein Stück ab und nahm damit etwas Olivenpaste auf. Die Paste war fett und stückig, salzig und sehr wohlschmeckend nach den Tagen karger Kost. Sie aßen schweigend. Wer Durst hatte, wischte sich den Mund und trank aus dem Krug.
    Das ältere Kind fing an zu husten. Danielle wies und schaute fragend. Es habe einen lange anhaltenden trockenen Husten, erklärte die Frau, von vielen Gesten begleitet. Danielle hockte sich auf die gestampfte Erde zu dem Kind, lockte es zu sich und horchte seine Brust und seinen Rücken ab. Sie stand wieder auf, fing an zu erklären, brach aber bald ab. Stattdessen ging sie in den Garten, schaute sich um und brach einen Stängel Wermut ab. Den trug sie wieder hinein und zeigte, dass man dieses Kraut in Olivenöl einweichensolle, sieben Tage, dann damit Brust und Rücken des Kindes einreiben. Und man solle ihm gekochte Zwiebeln zu essen geben. Die Frau bedankte sich überschwänglich. ‹Vor allem aber braucht es mehr zu essen und wenigstens eine warme Mahlzeit am Tage›, dachte Danielle bei sich, aber daran konnte man nichts ändern. Nach dem Essen sprach Danielle ein Dankgebet. Der Mann, der die Verhandlungen um das Kind interessiert beobachtet hatte, stand auf und bat sie, ihm zu folgen. Sie gingen hinter die Hütte, wo der Esel an seinem Pflock stand. Soweit der Strick reichte, hatte er alle Kräuter abgefressen. Nun stand er in der Nachmittagssonne, ließ den schweren Kopf hängen und schnaufte in die Spreu unter seinen Füßen. Mit weichen Lippen untersuchte er den Boden auf Körner, die liegen geblieben waren.
    «Was ist mit ihm?», fragte Danielle. Das Tier sah dürr und abgearbeitet aus, aber das war nicht ungewöhnlich.
    Der Mann gab dem Esel einen Klaps auf das breite Hinterteil. Er lief ein paar Schritte und blieb dann wieder stehen. Jetzt erkannte Danielle, dass er mit einem Hinterbein hinkte. Sie untersuchte den Huf auf einen eingetretenen Kiesel, der Mann schüttelte den Kopf – das hatte er selber schon getan. Sie befühlte den Knöchel des Esels. Da war eine leichte Schwellung, verstaucht, aber nicht gebrochen. Sie sah sich wieder im Hof um und entdeckte ein Büschel Schafgarbe, das an der Stallmauer wucherte.
    Von Pantomime begleitet, erklärte sie: «Mache dem Tier damit Umschläge. Du musst die Pflanze kochen und in ein Tuch einwickeln und es dann um den verletzten Knöchel binden, so – verstehst du?»
    Bis dahin hatte der Bauer kaum ein Wort gesagt und keine Miene verzogen. Doch nun lächelte er breit und nickte eifrig. Mit einem Schwall von Worten bedankte er sich und machte sich sofort daran, die Kräuter zu pflücken und seinTier zu versorgen. Danielle betrachtete ihn, wie er da bei seinem Esel hockte, den staubigen Haarschopf, den von der Sonne gegerbten Rücken, an dem die Rippen hervorstanden, die harten Hände, wie sie über das Bein des Esels strichen. Er hatte ihre Gegenwart bereits vergessen.
    ‹Der Esel ist ihm wichtiger als sein Kind›, dachte Danielle. ‹Nun ja, kein Wunder: Ohne sein Arbeitstier wird es ihm schwerfallen, seine Familie zu ernähren. Einen Esel zu besitzen, das macht den Unterschied zwischen einem hungrigen und einem satten Bauern. Und wenn er ihn hart arbeiten lässt, so wohl nicht härter, als er selber schuftet.›
    Sie überließ ihn seiner Aufgabe und ging wieder um die Hütte herum, um sich von seiner Frau zu verabschieden. Sie hob ihren Tragsack vom gestampften Lehmboden auf und wollte schon gehen, da hielt die Frau sie am Arm fest. Sie griff nach dem Tragsack, steckte ein Fladenbrot hinein, lächelte zahnlos und wollte etwas dafür, aber was? «Ich habe kein Geld», sagte Danielle, aber das war es

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