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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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nicht.
    Die Bäuerin zog Danielles rechte Hand an sich und legte sie sich auf die Stirn.
    «Ich soll dich segnen? Aber ich bin doch kein Priester.»
    Schließlich und mit reichlich schlechtem Gewissen ließ Danielle sich darauf ein. Sie machte das Kreuzzeichen auf den Stirnen der Frau und ihrer Kinder und murmelte ein Gebet über den Acker. Sie segnete sogar den Esel. Das war ihnen Bezahlung genug.
    Nach drei Tagen hatte Danielle genug vom Einsiedlerleben in der Grotte. In gemächlichem Tempo wanderte sie weiter auf den Hirtenpfaden von einem Gehöft zum anderen. Mit Erstaunen stellte sie fest, dass sie kaum mehr zu betteln brauchte. Wohin sie auch kam, man gab ihr zu essen und Unterkunft und behandelte sie mit Respekt. Nur ein- oder zweimal stieß sie auf finstere Mienen und wurde davongejagt.Aber ja: Sie trug ja immer noch die Gewänder einer Begine! So war aus ihr also eine Bettelbegine geworden. Sie fühlte sich nicht recht wohl dabei, weil sie die Gaben unter falschen Voraussetzungen bekam. Aber sie nahm die Geschenke an.
    Je weiter sie gen Aix kam, desto näher beieinander lagen die Höfe, desto mehr Land war unter dem Pflug. Zypressen und Sträucher waren Olivenbäumen und Obstplantagen gewichen. Jedes Joch Ackerfläche war hier unter den Pflug genommen. Nur noch selten sah sie die kleinen Schäferhütten, dafür trotzige Familienburgen, wuchernde Gebilde mit winzigen Fenstern und dickem Mauerwerk aus Feldstein. Man sah ihnen an, dass sie nach Art der Wespennester gewachsen waren: Jede neue Generation hatte ihre Behausung an die erste, an den inneren Kern angebaut, Ställe und Scheuern wurden angefügt, so wie es gerade notwendig erschien. Aix tauchte auf, und sie musste sich entscheiden, ob sie in Marseille oder lieber gleich in Toulon ihr Glück versuchen sollte. Hinein nach Aix wollte sie nicht, obwohl es den Bettlern dort wahrscheinlich gutging, so voller fetter Klöster und reicher Kaufleute, wie es war. Doch von Menschenmengen hatte sie vorerst genug.
    Also setzte sie sich ins Gras und betrachtete die Montagne Aventure, deren langgezogene nördliche Flanke sich ihr in den Weg gelegt hatte. Wie die gebleichten Rückenknochen eines gewaltigen Urtieres lag der Berg inmitten der Eichenwälder. Weiße Rippen hoben sich über blaugrauen Abgründen und Falten. Sie würde sich zwischen Aix und dem Berg durchschlagen, dort bei den Mühlen, am Haupt des schlafenden Tieres vorbei und dann weiter nach Süden gehen, nach Toulon.
    Die Landschaft wurde merklich trockener, als sie das fruchtbare Tal der Durance verließ. Ein warmer Wind vonSüden kam auf und ließ die trockenen gelben Blätter der Mandelbäume rascheln. Die Luft roch nach Kalk.
    Zur selben Zeit, als Danielle der Durance den Rücken kehrte und in die fleckigen Schatten der Zypressenwälder eintauchte, da wurden in Pertuis die Wachen vor dem Beginenhof abgezogen.
    «Das Kind von Mestre Marius, es hat sich angefunden», hieß es.
    «Wie? Angefunden? Ein Kind verlegt man doch nicht wie einen linken Socken.»
    «Belota sagt, es hat ein Missverständnis gegeben, und man hat das Kind gleich nach der Geburt zu einer Milchamme gebracht, weil Mestra Laura doch so schwach war.»
    «Und zu welcher haben sie es gegeben?»
    «Zu Bianca.»
    «Zu der? Da will ich glauben, dass es ein Missverständnis war. Die Vidals können sich doch wohl jemand Besseren leisten als diese alte Säuferin!»
    «Und die Beginen hatten gar nichts damit zu tun.»
    «Das habe ich auch nicht angenommen.»
    «Ich auch nicht.»
    «Aber warum hat sich die Fremde, diese Italienerin, dann davongemacht?»
    «Sie soll ein unanständiges Buch geschrieben haben.»
    «Was für ein Buch?»
    «Na, so eins über Weibersachen. Mit Bildern drin.»
    «So? Das hätt ich gern gesehen.»
    «Ich auch.»
    So müde war Carolus nach Hause getaumelt, dass seine Mutter ihn schlafen ließ bis zum Mittagsläuten. Er schrak hoch: «Schon Mittag! Um Himmels willen!» Eilig spritzte er sich ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht aus der Schüssel, die eine Magd ihm auf seinen Waschtisch gestellt hatte,putzte sich die Zähne mit einem rauen Tuch und fuhr in die Kleider.
    «Wohin so eilig?», rief seine Mutter.
    «Zu Catherine», erwiderte er atemlos.
    «Das ist recht, mein Sohn. Jetzt, wo die Italienerin fort ist, kommt alles wieder in Ordnung.»
    Carolus machte ein finsteres Gesicht und eilte zum Haus von Marius Vidal.
    «Mein lieber Freund!», empfing der ihn. «Laura und ich können dir nicht genug danken! Komm, sag Laura

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