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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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zweistöckiges Haus aus Feldsteinen, kompakt und vierschrötig wie ein alter Soldat und ebenso narbig und verwittert. Als Carolus abstieg, schoss von irgendwoher ein halbwüchsiges Kind heraus, dessen Geschlecht unter weiten Hosen und Kittel nicht zu erahnen war. Ohne Carolus anzusehen, griff es nach dem Halfter und wollte das Pferd wegführen.
    «Halt! Ich weiß noch nicht, ob ich hierbleiben will», sagte Carolus.
    Das Kind wies mit dem Kinn in Richtung der Stadt. «Alles voll», nuschelte es. «Es ist Weinfest.»
    Es war ein Wunder, dass hier noch ein Mensch zum Arbeiten kam, bei all den Festen: Das Fest der «Belle Estelle», des schönen Sterns, die Sonnwendfeuer, das Frühlingsfest, die Feste der Schutzheiligen, die Prozessionen und die Stierkämpfe, Weinfeste, Käsefeste, Grands marchés, Grands Aiolis, Ölfeste und was nicht alles!
    «Habt ihr denn noch Platz für mich?»
    «Denk schon. Ihr müsst die Mutter fragen. Die ist da drin», antwortete das Kind
    Carolus nahm die Satteltaschen ab und hängte sie sich über die Schulter. Den Gaul überließ er dem Kind und ging hinein. Drinnen umfing ihn augenblicklich ein Dämmerlichtund der Dunst von gerösteten Zwiebeln und Wein. Dichtgedrängt saßen die Gäste, meist Reisende wie er, ein paar Bauern dazwischen. Der eine lauste sich, nebenan spielten drei Kerle ein Würfelspiel, von Gepolter, ausholenden Gesten und Geschrei begleitet, andere daneben aßen oder unterhielten sich. Dazwischen rannten zwei junge Weiber geschäftig hin und her. Mit geübtem Hüftschwung wichen sie den Händen aus, die nach ihren Brüsten und Schenkeln grapschten, verteilten abwechselnd Kopfnüsse und Brot, füllten die Becher und trugen leere Schüsseln ab. Die jüngere von beiden, eine hübsche Kleine mit schwarzem Haar und einem Gesicht wie ein praller Pfirsich, bahnte sich einen Weg zu ihm durch und lachte ihn an.
    «Nur trinken und essen, oder brauchst du einen Platz zum Schlafen?»
    «Alles», antwortete Carolus.
    «Du kannst ein Zimmer für dich allein haben, das kostet ein Silberstück, mit Essen und Wasser zum Waschen. Ein Strohsack im Gemeinschaftsraum kostet nur einen Denier, Essen inbegriffen. Zwiebelragout. Braten kostet extra», zählte sie auf.
    Carolus hätte gern eine Kammer für sich gehabt, aber er war nicht allzu wohlhabend. Und wie lange seine Suche dauern würde, das wusste er nicht.
    «Der Gemeinschaftsraum genügt mir», sagte er.
    «Dann geh erst mal rauf und belege einen Schlafplatz. Es genügt, wenn du ein Kleidungsstück drauflegst, dann gehört er dir für die Nacht. Und dann komm herunter, und ich bring dir was Gutes.» Sie lächelte ihn an. Auf ihrer Wange entstanden Grübchen.
    Er erklomm ein paar steile, enge Stiegen und fand oben den Schlafraum. Fast alle Plätze waren schon belegt. Er warf sein Barret auf ein Lager nah an dem winzigen Fenster, woer etwas frische Luft haben würde, und ging wieder hinunter.
    «Wo ist der Stall?», fragte er in die Runde.
    «Hinten, auf der Rückseite!», rief ihm jemand zu. Er ging hinaus und um das Gebäude herum und vergewisserte sich, dass Marius’ Pferd auch gut versorgt war. Jemand hatte es abgerieben und ihm einen Futtersack umgehängt. Es sah zufrieden aus.
    Als er wieder in die Gaststube kam, suchte er sich einen Platz in einer Ecke. Die junge Frau kam und stellte Becher und Krug vor ihn hin. «Also: Braten oder Zwiebelragout?», wiederholte sie. Sein Magen knurrte vernehmlich. Einen Augenblick kämpfte er mit sich. Der Duft des gebratenen Fleisches stach ihm in die Nase: «Zwiebeln», sagte er entschlossen. «Und Brot!»
    «Brot ist dabei!» Sie glitt durch die Bänke davon. Er schaute sich um und beobachtete die anderen Gäste. Plötzlich versperrte ihm ein gewaltiger Wanst den Blick. Er schaute hoch und in das fleischige, rote Gesicht der Patronne.
    «Der Schlafplatz, Essen, Wein und der Platz für Euren Gaul – macht acht Deniers. Im Voraus!», krächzte sie. Carolus kramte in seiner Geldkatze nach den passenden Münzen. Ihre Augen schätzten den verbliebenen Inhalt genau ab. Rasch ließ er den Beutel wieder unter dem Hemd verschwinden. Finger wie Würste schlossen sich um seine Münzen. Der Blick in den Raum wurde wieder freigegeben.
    Die junge Frau kam zurück und legte eine dicke Scheibe Brot vor ihn auf den Tisch als Teller und gab eine reichliche Kelle gebratener Zwiebeln darauf. Es waren sogar ein paar halbverbrannte Stückchen Speck darunter.
    «Guten Appetit!», wünschte sie ihm. «Wenn du mehr

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