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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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an.
    «Mein Herr, mir scheint, Ihr habt was Falsches gegessen oder zu viel Wein getrunken. Aber wie Ihr meint. Da entlang muss sie gegangen sein, nicht wahr, Antoine?»
    «Ouais.»
    «Da entlang», sagte Antoine, «die Landstraße nach Aix hat sie genommen.»
    Carolus ritt flussabwärts, bis er an die Furt kam. Die Spuren vieler Hufe, Tierkot und Wagenrinnen zeigten ihm, welchen Weg er zu nehmen hatte. Am Fluss stieg er ab undzog seine Stiefel aus; er führte sein Reittier am Halfter über Kiesbänke und knietiefe Wasserlöcher, in denen kleine Fische schwammen.
    Am anderen Ufer saß er auf und gab seinem Pferd die Fersen, um die verlorene Zeit aufzuholen.

21.
    Es dauerte nicht lange, da musste Carolus einsehen, dass er das Pferd unmöglich im Galopp bis nach Aix treiben konnte. Dem armen Vieh troff Schaum vom Maul. Er sah sich gezwungen, es im Schritt laufen zu lassen, obwohl sein Blick und seine Sehnsucht vorausflogen. Eine solche innere Hast verspürte er, dass er am liebsten abgesprungen und gerannt wäre.
    Davorn hinter den Hügeln lag Aix, einstmals Aquae Sextae, mit seinen zahlreichen warmen und kühlen Quellen, wo Gaius Sextus Calvinus und seine Legionen ihre Wunden kuriert hatten. Der Feldherr Marius schlug die Teutonen und tat es dann Gaius Sextus nach. Caesar und Augustus hatten Thermen bauen lassen, die ein Wunder waren in der barbarischen keltoligurischen Welt. Die Römer brachten Kultur, Bürokratie und Sauberkeit. Wunderbare Eigenschaften sagte man dem Wasser von Aquae Sextae nach: Alte fühlten sich erfrischt und verjüngt, Schwache und Sieche wurden wieder kräftig, wenn sie von dem Wasser tranken, Hautkrankheiten verschwanden, unfruchtbare Frauen empfingen nach einem Bad. Böse Zungen machten dafür allerdings eher die losen Sitten in den Badehäusern verantwortlich.
    Die Grafen der Provence verschönerten die Stadt nach ihrem Geschmack. Wer etwas auf sich hielt, besaß ein Haus in Aquae Sextae. Aix, die Schöne, die Reiche, zog aus weitem Umkreis alles Leben an sich. Wo anders, dachte Carolus, konnte die sein, die er suchte? Viele Reisende strömten dorthin, nur wenige von ihr fort. Die Straße entlang zogenBauern mit Eseln, deren Tragekörbe überquollen von den Nahrungsmitteln, die in der Stadt benötigt wurden. Carolus überholte einen Alten, der einen Buckelkorb voller Porree schleppte und sich noch vier oder fünf Hühner um den Hals gehängt hatte. Da ging eine Gruppe Mönche zu Fuß und ein Korbflechter, hochbeladen mit seinen Produkten: Körbe in allen Größen und Formen standen von ihm ab wie das gesträubte Federkleid eines Vogel Roch. Zwei Jäger kamen zwischen den Zypressen heraus und reihten sich ein in den Zug. Sie hatten Fasane und Hasen geschossen, die sie in der Stadt verkaufen wollten. Ein Mann stand am Straßenrand und jammerte. Sein Karren war halb umgekippt, ein Rad hatte sich gelöst. Die Melonen, die er geladen hatte, waren von der Ladefläche gerollt, sie sahen aus wie hellgrüne Bälle, überzogen mit gelblichen Netzen. Ein paar von ihnen waren aufgeplatzt. Über dem hellen orangefarbenen Fleisch summten bereits die Fliegen.
    Die wenigen, die ihm entgegenkamen, fragte Carolus: «Habt ihr eine einzelne Begine gesehen im weiten Rock und Kittel aus ungefärbter Wolle, mit einem Schleiertuch, wie eine Nonne?» Doch niemand konnte ihm die Auskunft geben, die er erhoffte.
    Je näher er der Stadt kam, desto spärlicher wurde der Wald. Rundum erstreckten sich Felder, Weinberge und Obstgärten. Aix war so groß   … wenn Pertuis ein Glas war, dann war Aix ein Fass. Wo sollte er zu suchen anfangen?
    Er sah sich um und entdeckte nicht weit von der Straße eine einfache Herberge.
    ‹Sie hat kein Geld›, dachte er. ‹Wo wird sie also schlafen? Unter freiem Himmel? Lau genug ist es noch. Ob sie im Heuschober eines Bauern Unterschlupf gefunden hat?› Er konnte und mochte sich nicht vorstellen, dass sie mit anderen Bettlern nächtigte, unter einer Brücke, in einem unbewohnten,halbverfallenen Haus, auf einem Friedhof oder in einer Mauerecke.
    Während er noch überlegte, entschied sein Pferd für ihn. Eigensinnig zerrte es am Halfter und schlug den Weg zum nächsten Stall ein, wo es seine Artgenossen witterte und Heu und Wasser im Trog.
    «Ist gut, ist schon gut, du unverständiges Vieh. Bei dir wohnt die Seele im Magen, das steht fest», brummte er. Er beschloss, die Nacht hier zu verbringen und morgen frisch und bei Tageslicht mit seiner Suche zu beginnen.
    Die Herberge war ein

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