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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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entzündet sich! Kühlen musst du es!»
    Sie zog die heulende Annik hinter sich her zu einem Krug mit Brunnenwasser.
    «Da steckst du den Arm hinein und lässt ihn drin, bis ich wiederkomme!»
    Annik hockte sich widerborstig hin und hielt den verbrühten Arm ins kalte Wasser.
    «Aber das haben wir immer so gemacht! Öl und Mehl gehören drauf! Wasser! Was soll Wasser denn helfen?!» Aber sie wagte es nicht, Danielles Anweisungen zuwiderzuhandeln. Sie hatte mit solcher Autorität gesprochen, dass sie gehorsam sein musste.
    Wie ein Mistral fegte Danielle ins Hospital.
    «Jeanne! Rasch! Hast du Ringelblumensalbe? Nein?»
    «Salbe nicht, aber geläutertes Schafsfett und getrocknete Ringelblumen. Wofür   …?»
    «Annik hat sich in der Küche den Arm böse verbrüht!», rief Danielle. Sie ergriff das Bündel getrockneter Ringelblumen, das Jeanne ihr reichte, und stürmte zurück in die Küche. Dort zerdrückte sie das Kraut in einem Steinmörser, goss es mit ein wenig kochendem Wasser auf und wickelte es in ein sauberes Leintuch. Sie schwenkte es mit geübter Hand, um es abzukühlen.
    «Zeig her, den Arm», sagte sie ruhig zu Annik. «Na, so was tut erst mal ordentlich weh, aber das Kühlen hat gutgetan, oder?» – «Ja», nickte Annik und betrachtete mit aufgerissenen Augen den geröteten Arm. Danielle betrachtete die Stelle genau und berührte sie vorsichtig mit einer Fingerspitze. «Es ist nicht so schlimm. Die Flüssigkeit hat nichtmehr gekocht. Die oberste Hautschicht wird sich lösen, und danach wird die Stelle ein paar Tage dünn und empfindlich sein.» Vorsichtig legte sie das nasse Leintuch mit den Kräutern auf die Wunde. «So. Das lässt du drauf, bis du zu Bett gehst, dann wird dir Jeanne zur Nacht einen Verband mit Salbe machen. Wenn du Schmerzen hast, trink Weidenrindenaufguss. Morgen schon wird es besser sein.»
    Erstaunt und dankbar schaute Annik sie an: «Woher hast du das gewusst? Ich glaube gar, du bist eine Apothekerin.»
    Danielle stutzte einen Augenblick: «Nein», wehrte sie dann ab. «Nein, eine Apothekerin bin ich nicht gewesen. Das mit der Salbe muss ich irgendwo aufgeschnappt haben.»
    Jeanne war Danielle in die Küche gefolgt und hatte alles mit angesehen.
    «Na, in der Not weißt du ja doch zuzupacken. Das war ganz richtig mit den Ringelblumen. Ich hätt’s nicht besser machen können.»
    «Von mir aus», sagte Danielle. «Aber eine Apothekerin war ich nicht, und im Hospital will ich trotzdem nicht arbeiten. Alles, nur das nicht.»
    «Schade», sagte Jeanne.
    Danielle ergriff einen Stapel Schüsseln und ging die Tische decken. Man hörte, wie sie das Geschirr auf den Tisch knallte.
    «Eh bèh!»
, bemerkte Annik. «Warum wird sie denn gleich so heftig?»
    «Ich hab sie ein paar Male gedrängt, mit mir zu arbeiten, weil mir schien, sie habe das Mitgefühl und das Geschick dafür. Sie hatte wohl Sorge, dass ich wieder davon anfange», meinte Jeanne. «Na ja; sie wird es tatsächlich irgendwo aufgeschnappt haben. Gut für dich, dass sie es wusste, Annik! Mehl und Öl! So was!»
    Zufällig kam wenig später ein junger Arzt vorbei, der gelegentlich im Hospital half. Er wurde von Jeanne in die Küche geführt. Annik saß auf einem Schemel und hielt ihren verbrühten Arm still. Danielle und Magdalène bemühten sich, nach ihren Anweisungen das Abendessen fertigzustellen.
    «Danielle, das ist Carolus», sagte Jeanne. «Er macht ohne Bezahlung und aus reiner Nächstenliebe Krankenbesuche und gelegentlich Operationen – alles, was ich nicht kann. Carolus: Das ist unsere neue Schwester Danielle. Sie hat ihr Gedächtnis verloren.»
    «Interessant», sagte Carolus. Danielle schaute vom Tisch hoch, wo sie gerade Zwiebeln schnitt. Ihre Augen tränten, und es wurde ihr im selben Augenblick bewusst, dass sie zweifellos eine rote Nase hatte. Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen, um die Tränen fortzuwischen, was es natürlich noch verschlimmerte. Da stand sie nun mit laufender Nase und geschwollenen Lidern und hätte sich selbst ohrfeigen mögen, weil sie auch noch rot wurde. Und dabei war dieser Carolus der anziehendste Mann, den sie je gesehen hatte. Wütend drehte sie sich weg und verbarg ihr Gesicht in ihrer Schürze.
    «O verflixt, das brennt sicher ganz scheußlich! Lasst mich   …», sagte Carolus. Er hatte ein Leintuch genommen, es in den Wassereimer getunkt und leicht ausgewrungen. Nun kam er um den Tisch herum, zog Danielle die Schürze weg und tupfte ihr behutsam Augen und Nase

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