Die Ketzerbibel
ab.
«Na, ist es besser?»
Danielle nickte, öffnete die Augen und blickte direkt in sein amüsiertes Gesicht. Sie vergaß zu atmen, sie vergaß, wo sie sich befand. Plötzlich war es ganz mucksmäuschenstill in der Küche. Man hörte das Herdfeuer knacken und die Schaben in den Wänden rascheln. Endlich riss Danielle ihrenBlick los. «Ja, es ist schon gut. Danke», murmelte sie und wandte sich rasch wieder dem Tisch und ihrer Arbeit zu.
Jeanne hatte die Augenbrauen in die Höhe gezogen. Annik stand der Mund offen. Magdalène hatte die Arme in die Seiten gestemmt, den Kopf schief gelegt und grinste breit.
Carolus räusperte sich, drehte sich um und ging, um Anniks Verband zu überprüfen.
«Ausgezeichnet. Ringelkraut war hier das einzig Richtige», sagte er in sachlichem Ton. «Und wenn die Wunde sich geschlossen hat?»
«Beinwell», flüsterte Danielle.
«Genau: Beinwell – dann wird es prächtig heilen und nicht einmal eine Narbe hinterlassen.»
«Tè!»
, machte Annik in vielsagendem Ton.
Der Vorfall machte die Runde. «Aha! Ich hab’s euch ja gleich gesagt. Das passt doch.» Gebba hegte die schlimmsten Befürchtungen. «Eine Apothekerin war sie, und ganz sicher hat sie sich vertan und jemanden umgebracht.» Das Letzte sagte sie mit einem lauernden Blick zu Danielle, die weiter schweigend den Tisch deckte. «Man sollte sie lieber nicht in der Küche hantieren lassen. Wer weiß, was sie uns unter die Suppe mischt, wenn Annik gerade nicht hinschaut.»
Mit einem lauten Knall stellte Magdalène den Teller vor Gebba hin, sodass diese zusammenzuckte.
«Aus Versehen, meinte ich doch», sagte sie scheinheilig. «Das kann doch vorkommen. Aber ich finde, wenn einem ein Felhler unterlaufen ist, dann sollte man ihn auch zugeben.»
«Jetzt halt aber dein loses Maul, sonst stopfe ich es dir», zischte Magdalène und warf Gebba einen bösen Blick zu. Gebba lächelte, offenbar zufrieden mit sich.
Maestra Laura erschien wie immer in Begleitung ihrer Schwester Catherine. Catherine war so still, wie Laura lebhaftwar, deren Schwangerschaft jetzt für alle deutlich zu sehen war.
«Sie ist so jung und so schmal gebaut», bemerkte Danielle leise zu ihrer Freundin.
«Ja, meinst du, sie wird Schwierigkeiten haben? Ach, aber es heißt doch, dass junge Frauen leichter gebären als ältere, weil sie noch stark und biegsam sind.»
«Mag sein», erwiderte Danielle, doch sie betrachtete Lauras schmale Hüften ein wenig besorgt. «Ich wünsche es ihr auf jeden Fall. Sie ist ein so ein freundliches kleines Ding.»
Beim Essen plauderte Laura munter und berichtete über einen Fall von Erbbetrug, der sich vor kurzem zugetragen hatte. Ihr Ehemann Marius war Rechtsgelehrter und versah in der Stadt den Dienst eines Notars.
«Und stellt euch vor, da wird mein Marius gestern Abend spät zu einem Sterbebett gerufen – ich werde euch nicht verraten zu wem, das könnt ihr euch ja selbst zusammenreimen – und da sind auch richtig alle Verwandten um das Bett herum versammelt. Der alte Mann war ja schon lange krank, und so hat sich mein Marius zunächst nicht gewundert, dass er trotz der Hitze in Decken eingehüllt war, die Schlafmütze tief in der Stirn. Es schauten nur Mund und Nase heraus. – Ja, danke, liebe Annik, ich nehme gern noch etwas von dieser köstliche Gemüsesuppe! Ich schmecke Zitronenthymian heraus, das verleiht ihr einen so frischen Geschmack. Aber ich bediene mich schon selbst, schone nur deinen Arm!»
Mit zierlichen Bewegungen aß sie ein paar Löffel Suppe, während die anderen gebannt auf den Fortgang der Geschichte warteten.
«Nun, ihr wisst ja, dass die Witwe hier bei uns im Süden alles erbt, solange kein anderer Wille bekannt ist. Also, die Ehefrau des Sterbenden war nicht anwesend. Ja, und derSterbende fing also an und ratterte die Namen seiner Brüder und der Söhne herunter und wie alles unter ihnen aufgeteilt werden sollte.»
«Wo war denn die Ehefrau? Ist es nicht merkwürdig, dass sie nicht am Sterbebett war?», fragte die Begine Philippa.
«Ja, schon, aber man hatte Marius gesagt, sie sei von der Pflege und dem Kummer dermaßen erschöpft, dass sie bei ihrer Schwester sei, um sich auszuruhen, nicht wahr, Catherine?»
«So hat es Marius erzählt», bestätigte Catherine.
«Ja, und also: Es war nun alles verteilt, und mein Marius schreibt es brav auf eine Wachstafel, um das Dokument später ordentlich aufsetzen zu können – und da fällt ihm sein Griffel herunter.»
Sie lächelte schlau, kratzte
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