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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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mit dem Hornlöffel in Ruhe ihre Schüssel leer und wischte sie mit geröstetem Brot noch gewissenhaft sauber, während die Beginen atemlos und ungeduldig auf den Fortgang der Geschichte warteten.
    Laura kicherte: «Ja, und da bückt sich also mein Marius   …», sie machte es vor und schaute unter den Tisch, «…   und will nach dem Griffel fassen, der halb unter das Bett gerollt ist, und was glaubt ihr, was er da unter dem Bett sieht? – Den Verstorbenen!»
    «Wie ist das möglich, wenn er doch im Bett lag», staunte Annik.
    «Im Bett lag ein anderer, bist du aber begriffsstutzig!», rief Gebba.
    «Richtig», lachte Laura. «Marius zog dem angeblichen Sterbenden die Decke von der Nase, und da lag der älteste Sohn vollangezogen im Bett und mimte mit verstellter Stimme seinen Alten. Ihre Mutter hatten sie auf dem Dachboden eingesperrt. So wollten sie sich die Erbschaft sichern!»
    «Was für eine Frechheit!»
    «So eine undankbare Brut! Und was hat Euer Gemahl gemacht? Hat er sie alle einsperren lassen?»
    «Nein», sagte Laura und tupfte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. «Ach nein, so hart ist er nicht. Er ließ die Mutter vom Dachboden holen und las den Söhnen und versammelten Onkeln gehörig die Leviten. Er hat ihnen gedroht, wenn sie ihre Mutter nicht anständig und höchst ehrerbietig behandeln, dann werde er sie allesamt abholen und in Ketten legen lassen.»
    «Da sind sie ja noch gut weggekommen!»
    «Ja, die Mutter aber auch, denn wer hätte denn das Geschäft führen und sie versorgen sollen? Sie braucht ihr Mannsvolk ja. Sie ist schon uralt, über vierzig!»
    «Eine weise Entscheidung», lobte Juliana.
    «Und   – Mestra Catherine – gibt es bald eine Hochzeit?», fragte Annik. Gebba schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. Annik hob die Schultern. Sie war eben neugierig, was sollte man da machen.
    «Noch nicht so bald», gab Catherine zurück. «Wir haben es damit nicht so furchtbar eilig.»
    «Na – jung gefreit, nie gereut – hat meine Mutter selig immer gesagt. Wenn eine denn schon heiraten will, dann soll sie es frühzeitig tun. Das Gebären ist für den jungen Körper leichter; das Becken ist dehnbarer, und man erholt sich schneller. Man kann auch mehr Kinder bekommen. Einige sterben dann ja doch weg und   …»
    «Ja, danke, es ist gut, Annik», unterbracht Juliana die Küchenschwester.
    Catherine hatte den Mund verzogen. Das Thema schien ihr nicht besonders zu behagen.
    Magdalène und Danielle standen auf, räumten die gebrauchten Schüsseln ab und trugen Melone und die in Wein und Honig gesottenen Feigen auf.
    Als Danielle Mestra Laura bediente, blickte diese sie lächelnd an. «Geht es dir gut? Hast du dich eingewöhnt?»
    «Ja, danke», sagte Danielle. «Gott hat mich an einen guten Ort geführt.»
    «Wenn es denn Gott war, der sie unter uns gebracht hat», murmelte Gebba halblaut, aber vernehmlich.
    Laura lachte darüber und sagte nur: «Ach, Gebba, was bist du nur für eine misstrauische Natur. Aber du kannst eben nicht aus deiner Haut, nicht wahr?»
    Gebba brummte etwas Unverständliches. Vor dem Schlafengehen aber entschuldigte sie sich für die Bemerkung. Sie umarmte auch Magdalène. Unter Julianas gestrengem Blick und dem verstohlenen Grinsen der anderen Beginen bezeugten sich die beiden Frauen gegenseitige Achtung und schwesterliche Gefühle, aber Danielle sah aus dem Augenwinkel, wie Magdalène die Finger hinter ihrem Rücken kreuzte.
    «Ach, diese Versöhnungen würden mir ebenso fehlen wie der Streit mit ihr», lachte Magdalène beim Ausziehen im Schlafsaal. «Einen guten Feind braucht man ebenso wie Freunde, findest du nicht?»
    Danielle konnte nur den Kopf schütteln. «Mir kommt es vor, als hätte ich schon genug Feinde für ein ganzes Leben gehabt.»
    «Ich meine ja auch einen alltäglichen Gegner, an dem man sich abarbeiten kann. Aber sag   …», lenkte Magdalène rasch ab, «…   der Medicus ist doch ein hübscher Bursche, nicht wahr?»
    «Kann sein.»
    «Ha! Nun tu doch nicht so. Man hat genau gesehen, dass er dir gefallen hat – und du ihm übrigens auch!»
    «Unsinn! Ich habe es schon einmal gesagt: Mit derlei Dingen bin ich fertig. Ich bin gewiss nicht in ein Haus mitkeuschen, frommen Frauen gekommen, um dann doch wieder nach einem Mann zu schauen. Nein, ohne ist man viel besser dran», versicherte Danielle. Sie drehte sich auf die Seite und gab vor zu schlafen.
    Magdalène grinste verschmitzt.

5.
    Der Sommer war gekommen und die Luft

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