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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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Dunkelheit und Schmerz!»
    Basilio hatte Bedenken: «Hippokrates sagt, man soll bei traurigen Patienten fröhlich und bei fröhlichen, hysterischen Patienten traurig und still sein.»
    «Nein, das dulde ich nicht – das halte ich für falsch!» Carolus war aufgesprungen und lief in dem kleinen Zimmer auf und ab. «Ein Körper kann nicht genesen, wenn man ihm Nahrung vorenthält, und ebenso ist es mit der Seele. Ihr würdetdoch auch nicht einem Sünder die Gebete vorenthalten! Augustinus sagt: ‹Die Seele nährt sich von dem, worüber sie sich freut.› Deshalb bin ich der Meinung, dass man einen Menschen, der gelitten hat und also seelisch beschädigt und ausgehungert ist, nur mit Freundlichkeit, Liebe und angenehmen Sinneseindrücken wieder gesund pflegen kann!»
    Basilio brummte zustimmend. Athanasius vertiefte sich wieder in seine Schriftrollen.
    «Schade. Aber wenn ihr es also durchaus mit Freundlichkeit versuchen wollt, dann bietet auch wieder Celsus Möglichkeiten. Er arbeitete auch mit Alkohol, Liebe und Musik!»
    Calixtus lachte auf: «Alkohol und Liebe fallen hier wohl aus! Jedenfalls dort, wo sie über Messwein und die Liebe Gottes hinausgehen. Dann bleibt nur Musik.»
    «Also schön», überlegte Athanasius. «Musik ist eine Form der sanften Gewalt. Platon hielt sie für erzieherisch. Er sagt: ‹Rhythmen und Töne dringen am tiefsten in die Seele und erschüttern sie am gewaltigsten.› Aristoteles sieht sogar eine Verwandtschaft zwischen der Seele und den Harmonien.»
    «Musik wird auch gerne aufgenommen, weil sie genussreich ist, im Gegensatz zu vielen anderen Heilmitteln», sagte Basilio. «Also versuch es ruhig damit. Und erzähl mir, wie die Sache ausgeht. Ich würde gerne wissen, wie diese Methode wirkt und ob sie vielleicht auch auf andere Krankheiten anwendbar ist, etwa solche, die mit innerer Unruhe, Zorn oder anderen Gemütsbewegungen einhergehen.»
    «Ah!» Athanasius hob den Zeigefinger. «Aber was für eine Art von Musik, Brüder? Es gibt da große Unterschiede.»
    «Welche denn?», fragte Carolus.
    «Am heilsamsten wäre es, wenn sie die
musica coelestis
hören könnte, die himmlische Musik, denn sie kommt direkt von Gott. Doch das ist natürlich nicht möglich, denn sie ist für Sterbliche nicht wahrnehmbar.»
    «Woher weiß man dann, dass sie existiert?»
    «Wir nehmen an, dass sie existiert. Sie ist allenfalls durch Kontemplation sozusagen vorstellbar, wie die Erinnerung an eine Melodie. Jede andere Musik gründet sich darauf. Die
musica instrumentalis
,
organica
oder die
musica sonora
ist dagegen wahrnehmbar, weil sie von Menschen erzeugt wird. Gute und christliche Musik sollte immer ein Abglanz der himmlischen Musik sein, und sie sollte so wirken, dass man nicht ihre Struktur wahrnimmt, sondern dass sie das Gemüt bewegt.»
    So kam es, dass Carolus von der Grande Dame die Erlaubnis erhielt, einen Musicus in den Beginenhof zu bringen.
    «Wie? Musik? Hier? Ich glaube, ich höre nicht recht!», hatte sie sich empört, als er ihr diesen Vorschlag unterbreitete. «Jetzt hört sich doch alles auf! Was ist das wieder für ein närrischer Einfall! Ich habe erlaubt, dass ihr lange und ungestörte Gespräche mit einer unserer Schwestern führt! Ich habe erlaubt, dass ihr im Garten nebeneinander auf der Bank sitzt, fast wie ein Liebespaar! Das ist von einigen Schwestern sehr schlecht aufgenommen worden!»
    Gebba hatte sich bitter darüber beklagt und auf die Anstößigkeit hingewiesen.
    «Sie hört genug Musik in der Kirche.»
    «Das ist eine andere Situation. Hier geht es um Therapie», wandte Carolus ein.
    «Wollt Ihr etwa behaupten, ein Kirchgang sei keine Therapie?», ereiferte sich Juliana.
    «Nein, doch – schon, aber in der Kirche spricht man ja nicht. Man betet und besinnt sich auf Gott. Wir wollen doch, dass sie sich auf sich selbst besinnt.»
    «Ich sage: nein!»
    «Musik ist ein Labsal für die Seele. Sogar die Engel musizieren.»
    «Und auch der Teufel. Der sogar noch viel häufiger und lauter. Und jetzt wollt Ihr mir ein Orchester ins Haus schleppen? Wo jeder weiß, was Musiker für ein loses Volk sind? O nein! Das kommt nicht in Frage!», sagte Juliana entschlossen.
    «Ich dachte weniger an eine Gruppe von Musikern als an einen einzelnen.»
    «Ach, womöglich solche heimtückischen Gesellen, die Frauen mit süßen Melodien umschmeicheln, ihnen schöne Augen machen und sie auf Abwege bringen? Nein!»
    «Es muss ja kein Sänger sein. Wie wäre es mit einem Lautenspieler?»
    «Zu

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