Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
die einzige Lösung, mit der sie leben konnte.
» Nun kommt herein und esst! « , erklang die Stimme der Alten aus der Hütte. Peyres wandte sich um und folgte der Aufforderung. Olivette stützte ihn, da Adelind wohl zu lange gezögert hatte. Schließlich folgte sie selbst. Ohne Nahrung im Magen wäre sie nicht einmal imstande, auf Neuigkeiten über Hildegards Schicksal zu warten. Sie würde essen und dann im Wald verschwinden, beschloss sie.
Sie hockten zu viert auf Schemeln vor einem wackeligen Tisch. Die Suppe war nur mit Gewürzen, Kohl und Lauch angereichert, denn die Alte schien die Vorschriften der Katharer zu kennen. Sie schmeckte fad, doch verbreitete sie ein warmes, sattes Gefühl im Magen. Peyres bekam seine kastanienbraune Gesichtsfarbe allmählich zurück. Die Blutung an seinem Arm schien von dem Verband erfolgreich gestillt worden zu sein. Adelind überlegte, dass er mit Olivette bereits nach Foix aufbrechen konnte. Sie war bereit, allein in den Wäldern zu warten, um ihre beiden Gefährten nicht unnötig zu gefährden. Sollte Hildegard als Nonne nach Prouille gebracht werden, konnte sie immer noch überlegen, ob sie ihr dorthin folgen oder zunächst zu Esclarmonde gehen wollte. Sie hatte endlich wieder etwas Ruhe gefunden und vermochte der Zukunft gefasst entgegenzusehen, als plötzlich die Tür zur Hütte aufflog.
Ein junger Mann trat ein. Er war in Lumpen gekleidet und trug einen Sack auf dem Rücken, den er zuerst ablegte, bevor er die alte Frau in seine Arme schloss und in die Höhe hob wie ein Reisigbündel.
» Wie liefen die Geschäfte, Loup? « , fragte sie mit zappelnden Füßen und tätschelte dabei seinen Rücken.
» Nicht schlecht, Großmama. Ich habe viele Felle verkauft. «
Er stellte sie wieder auf dem Boden ab und ergriff den abgelegten Sack, dessen Inhalt er auf dem Boden ausschüttete. Ein paar Münzen schlugen klimpernd auf, gefolgt von zwei Messern und einem geschnitzten Kamm aus Bein.
» Ich habe alles besorgt, was Ihr wolltet, und sogar noch Gewinn gemacht, weil ich klug genug war, über Nacht in Carcassona zu bleiben « , verkündete der Junge stolz. » Es ziehen langsam wieder Leute in die Stadt, aber Händler gibt es noch nicht so viele. Und heute Morgen, da… da gab es eine öffentliche Hinrichtung einer Ketzerin. Da kamen auch Leute aus umliegenden Dörfern. Die Soldaten trieben sie hin. «
Die Alte stieß einen murrenden Laut aus. Erstmals sah der Junge sich nun in der ganzen Hütte um und wurde sich der Gegenwart fremder Menschen bewusst.
» Wer sind die? Doch nicht etwa…? Es sind ein paar fromme Frauen aus dem Verlies verschwunden, und der neue Herr der Stadt war sehr ungehalten. «
Er blicke von Adelind, die ihm stolz ins Gesicht sah, zu seiner Großmutter und wieder zurück.
» Wir werden nicht lange hierbleiben « , griff Adelind allen Erklärungen vor. » Eigentlich wollten wir bereits gehen. Aber wer wurde heute Morgen hingerichtet? Kannst du die Frau beschreiben? «
Sie staunte, wie ruhig ihre Stimme klang. Eigentlich kannte sie die Antwort bereits. Sie hörte Olivette leise klagen, spürte Peyres besorgten Blick auf sich ruhen, aber Loup antwortete ohne Zögern.
» Eine junge, auffallend hübsche Frau mit Haaren wie Sonnenstrahlen. Ein Jammer. « Ein vorwurfsvolles Murren seiner Großmutter ließ ihn kurz verstummen. » Sie starb sehr aufrecht und mutig. Die Leute waren beeindruckt « , beendete er schließlich seine Rede.
Einen Augenblick lang war es still. Adelind spürte, wie Olivette ihre Hand ergriff und sanft zusammendrückte.
» Das hätte ich ihr niemals zugetraut « , murmelte Peyres an niemand Bestimmten gewandt. Adelind schüttelte Olivettes Griff ab und schoss in die Höhe.
» Natürlich nicht, denn du konntest sie nicht leiden! « , schrie sie und sah Speicheltropfen aus ihrem Mund schießen. » Deshalb hast du immer wieder gesagt, dass sie ins Kloster gehen wird, wie ein folgsamer, ängstlicher Hund. Aber du kanntest sie nicht. Du hast mir die Möglichkeit geraubt, an ihrer Seite zu sterben, und dafür verfluche ich dich! Ich verfluche dich! «
Peyres sackte leicht zusammen und sah sie mit großen Augen an, in denen weder Zorn noch Schmerz lagen, nur Fassungslosigkeit. Wie aus weiter Ferne drangen mahnende Stimmen an ihr Ohr. Sie spürte Olivettes tröstende Umarmung, sah die Alte zum Herd eilen, um einen Kräutersud zu brauen, der ihr eingeflößt wurde. Das Letzte, das sie wahrnahm, war Loups völlig verdattertes, fast
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