Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
dies nicht erwiesen. Jedenfalls führte der Graf von Leicester den Kreuzzug unerbittlich fort, auch als die meisten seiner Mitstreiter schon heimgekehrt waren. Erst sein Tod1218 setzte dem Gemetzel ein Ende. Die Kämpfe gingen aber mit Unterbrechungen weiter, da der okzitanische Adel sich nun daranmachte, seine verlorenen Ländereien zurückzuerobern. Schließlich mischte sich wiederum der französische König durch einen zweiten Kreuzzug ein und sorgte dafür, dass die machthabenden Fürsten im Languedoc allesamt seine Vasallen wurden, wodurch der Süden Frankreichs seine Unabhängigkeit einbüßte. Die Katharer verloren die Unterstützung des Adels und mussten untertauchen.
Worin aber bestand nun ihre Häresie, und weshalb übte sie auf die Menschen des Languedoc eine derartige Faszination aus? Zunächst einmal ist zu sagen, dass es unter den Katharern verschiedene Gruppierungen gab und dass ihr Glauben vor seiner endgültigen Ausrottung eine Entwicklung durchmachte. Von ihren schriftlichen Aufzeichnungen sind nur wenige erhalten geblieben. Anders als die später aufkommenden protestantischen Bewegungen hatten die Katharer niemals die Ambition, die bestehende Kirche einfach von Korruption zu befreien und zu reformieren, sondern sahen deren Lehren als grundlegend falsch an. Zwar sind sie nach Meinung der meisten Theologen eindeutig Christen gewesen, doch legten sie die Bibel in vieler Hinsicht anders aus als die Katholiken. So erkannten sie z. B. die Sakramente nicht an, glaubten weder an die Menschwerdung noch an die Auferstehung Jesu und betrachteten die Welt als von Satan, nicht von Gott geschaffen. Von dieser Überzeugung, Dualismus genannt, gab es zwei Varianten. Einmal wurden Gott und Teufel als zwei Wesen von gleicher Macht angesehen, im anderen Fall war Gott trotz allem die mächtigere Gestalt, der Teufel ein ursprünglich von ihm geschaffener gefallener Engel. Beide Denkweisen waren unter den Katharern verbreitet und scheinen sich teilweise überschnitten zu haben. Zudem scheinen sie wenigstens zum Teil an Seelenwanderung geglaubt zu haben, obwohl dazu nur vage Hinweise vorliegen. Die menschliche Seele ging ins göttliche Paradies ein, wenn ein Mensch vor dem Tod die Geistestaufe, das Consolament, erhielt. Andernfalls wurde sie wiedergeboren, eventuell auch in einem Tier. Woher diese Vorstellung, die nur mit sehr viel Fantasie in die Bibel hineininterpretiert werden kann, genau stammte, ist unbekannt.
Die katholische Kirche betonte häufig den lebensfeindlichen Charakter des katharischen Glaubens, die Ablehnung der Ehe und auch der Fortpflanzung. Allerdings galt das Gebot der Keuschheit nur für die Perfachs (französisch Parfaits), die Priester der Katharer. Gewöhnliche Gläubige konnten heiraten und Kinder zeugen, auch wenn beides in der katharischen Kirche nicht von Wichtigkeit war. Der menschliche Körper wurde von den Katharern zwar als Teufelswerk betrachtet, doch sollen viele Perfachs auch heilkundig gewesen sein, was einer totalen Körperfeindlichkeit widerspricht. Im Grunde lebten die Perfachs nach jenen Geboten, die auch für katholische Priester und Mönche galten, nur scheinen sie sich stärker daran gehalten zu haben. Ich sehe den Grund für den zunächst sehr großen Erfolg der Katharer eben darin: Da sie noch eine sehr junge Kirche waren, der Menschen sich aus echter Überzeugung anschlossen, vermochten sie Leute schnell von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen. Anders als katholische Klöster forderte eine katharische domus zum Beispiel von der Bevölkerung keine Abgaben, sondern lebte von freiwilligen Spenden und dem Ertrag eigener Arbeit. Insgesamt hob ihr bescheidenes Auftreten sich positiv von dem Prunk und der leider weit verbreiteten Korruption der katholischen Kirche ab. Dennoch wäre es unangebracht, sie zu idealisieren, denn es gab auch unter ihnen Fanatiker und Heuchler. Nachdem die katharische Kirche in den Untergrund gehen musste, scheint ihre Radikalisierung zugenommen zu haben.
Nun noch ein paar Anmerkungen zu den historischen Persönlichkeiten, die in diesem Roman auftreten. Die bedeutendste ist wohl Esclarmonde des Foix, die »princesse cathare« par excellence. Sie war die Gemahlin von Jourdain de l’Isle-Jourdain, mit dem sie mindestens fünf Kinder hatte, darunter ein Mädchen namens Olivette. Im Oktober des Jahres1200 wurde sie Witwe und Erbin der Besitztümer ihres Gemahls. Sie begann nun, die katharische Kirche zu unterstützen, wurde 1204 in Fanjau (französisch
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