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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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schuldbewusstes Gesicht. Dann sackte sie am Boden zusammen und wurde zu einem strampelnden, schreienden, heulenden Wesen, das keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der vernünftigen Person hatte, als die sie ihr Leben lang gegolten hatte.
    Sie gingen zu dritt hintereinander her. Peyres zeigte den Weg, Olivette schritt erstaunlich flott voran und sah sich immer wieder um, ob Adelind auch folgte. Sie tat es, obwohl ihr Geist gegen jeden Schritt rebellierte. Doch der menschliche Körper war Teufelswerk und wollte daher störrisch nicht von dieser Welt lassen, in der er gefangen war. Sie trugen nun alle schlichte, grobe Bauernkittel, durchquerten eine von der Sommersonne ausgedörrte, ansonsten aber völlig unverwüstete Gegend, denn das Heer hatte den Weg in die Grafschaft Foix noch nicht eingeschlagen. Peyres sang in Dörfern ein paar Lieder, wodurch sie sich etwas Brot und Wein verdienten. Sie sollten sich als arme Gaukler ausgeben, drängte er, denn es war nicht auszuschließen, dass sich in den Dörfern bereits Spione des Kreuzfahrerheeres befänden. Adelind und Olivette verzichteten daher auf ihre rituellen Gebete, wenn sie in Gesellschaft waren. Als ein großzügiger Dorfvogt ihnen Speckschwarten anbot, griff Olivette tapfer zu, doch Adelind konnte sich nicht überwinden, an der schwabbeligen Materie zu nagen, deren bloßer Geruch sie würgen ließ. Sie begriff nicht, wie sie sich einst hatte nach Fleisch sehnen können.
    Der Vogt musterte sie eine Weile nachdenklich, dann vollführte er schweigend die drei Verbeugungen, um ihr als Vollkommener die notwendige Ehrerbietung zu erweisen. Adelind segnete ihn ohne Zögern, denn dieses Verhalten war bereits ein Teil ihrer selbst geworden. Als sie von einer domus in der Nähe des Dorfes erfuhr, fühlte sie sich in ihrer Ahnung bestätigt, dass Peyres’ Misstrauen gegenüber den Anwohnern übertrieben war. Sie sagte es ihm nicht, da sie seit ihrem Aufbruch kaum drei Worte miteinander gewechselt hatten und sie es so belassen wollte. Der Dorfvogt versprach, den Mitgliedern der ecclesia Dei eine Warnung zukommen zu lassen. Dann drängte Peyres auch schon zum Aufbruch. Das Heer der Kreuzritter konnte ihnen bereits auf den Fersen sein.
    Es ging weiter über Wiesen, Hügel und an Feldern entlang. Die Neuigkeiten von der Einnahme Carcassonas mussten ihnen bereits vorausgeeilt sein, denn nicht selten zogen sie an völlig unbeschädigten, aber menschenleeren Hütten und Steinhäusern vorbei, deren Bewohner sich bereits auf der Flucht befinden mussten. Doch sonst deutete nichts auf ein nahendes Unglück hin. In manchen Augenblicken vermochte der Anblick der sommerlichen Landschaft Adelind ebenso zu bezaubern wie an jenem Tag, da sie das Languedoc zum ersten Mal betreten hatte. Sie liebte das flirrende Licht und den Duft des Sommers, auch wenn die Hitze allmählich alle Farbe aus der Natur zu brennen begann. Das Leben, mit dem sie abgeschlossen hatte, lockte erneut in all seiner Vielfalt, aber sie war nicht bereit, sich ihm hinzugeben. Hildegard, die stets die zweite Hälfte ihrer selbst gewesen war, hätte es nicht gewollt. Adelind sah sich nur noch als Krüppel, dem alle wichtigen Gliedmaßen fehlten, doch musste sie ausharren, bis ihre Seele aus der sterblichen Hülle befreit wurde. So schritt sie weiter mit gesenktem Kopf dahin, schleppte tapfer das Bündel, in dem ihr Gauklerinnengewand lag, und versuchte, ihren Gefährten nicht mehr Unbill zu bereiten als notwendig.
    Am dritten Tag ihrer Wanderschaft erreichten sie bei Einbruch der Dämmerung ein kleines Dorf, das noch vollständig bewohnt war. Peyres versuchte die Einwohner zu warnen, dass bald ein riesiges Heer über sie herfallen konnte, doch stieß er nur auf Schulterzucken. Man wusste von der Gefahr, kannte aber kein mögliches Ziel für eine Flucht, sodass alle hofften, die Kreuzritter würden an einem unbedeutenden Ort vorbeiziehen. Adelind hoffte für sie, dass ihr Wunsch sich erfüllen möge, denn warum sollten Menschen sterben, die noch an diesem Leben hingen? Diesmal waren die Gaben der Dorfbewohner magerer, obwohl Peyres sehr schön gesungen hatte. Adelind lehnte ihren Anteil ab, was er mit finsterer Miene hinnahm. Seit sie ihn angeschrien und verflucht hatte, vermied auch er es, Gespräche mit ihr zu beginnen. Olivette wollte sie zum Essen drängen, doch erlahmte ihr Wohlwollen an Adelinds Hartnäckigkeit. Man zeigte ihnen eine baufällige Scheune, wo sie auf schmutzigem Stroh schlafen konnten. Peyres verzog gequält

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