Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
vertraten. Die ersten Katharer tauchten als vereinzelte Prediger im 12.Jahrhundert auch in Nordfrankreich, Deutschland und England auf, doch kamen sie dort sehr schnell auf Scheiterhaufen, sodass die Bewegung im Untergrund bleiben musste und sich kaum verbreitete. Im Languedoc hingegen herrschte ein für mittelalterliche Verhältnisse erstaunlich liberales Klima. Die ketzerischen Prediger stießen zwar mitunter auf Unmut, doch kam es zu keiner systematischen Verfolgung, und die Häresie verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Zu Beginn des 13.Jahrhunderts hatte sie ihre erste Blütezeit erreicht. Viele okzitanische Adelige sympathisierten offen mit den Katharern und überließen ihnen die Erziehung ihrer Kinder. Unter den Damen wurde es geradezu Mode, sich zur Perfacha (französisch Parfaite) weihen zu lassen und mit Gesinnungsgenossinnen eine domus zu gründen. Gleichzeitig begann die zunächst aus einzelnen herumziehenden Predigern bestehende Bewegung, sich zu einer straff organisierten Kirche mit Diakonen und Bischöfen zu formen. Gelegentlich ist auch von einem katharischen Papst die Rede, doch ist dies umstritten, und man weiß nicht, wer das genau gewesen sein soll. Die katholische Kirche sah sich jedenfalls nicht zu Unrecht in ihrer Machtposition gefährdet und plante einen Gegenschlag, zunächst ohne großen Erfolg. Mahnungen des Papstes an den okzitanischen Adel zeigten keinerlei Wirkung. Als der französische König aufgefordert wurde, mit Waffengewalt gegen die Häresie vorzugehen, war er von der Idee nicht besonders angetan. Es gab andernorts genug militärische Konflikte, in die er involviert war, und zudem fand er, ebenso wie etliche seiner Vasallen, eine gewaltsame Einmischung der Kirche in die Belange anderer christlicher Fürsten bedenklich. Erst mit der Ermordung eines päpstlichen Legaten, angeblich im Auftrag des Grafen von Tolosa (französisch Toulouse), schlug die Stimmung um. Die genauen Hintergründe des Todes von Pierre de Castelnau sind unklar. Es wurde mehrfach der Verdacht geäußert, der Papst selbst habe ihn ermorden lassen, was möglich, aber nicht erwiesen ist. Jedenfalls blieb dem französischen König danach keine andere Wahl, als zum Kreuzzug aufzurufen.
Das Heer der Kreuzfahrer setzte sich hauptsächlich aus nordfranzösischen Fürsten und ihrer Gefolgschaft zusammen. Es war groß, doch hätte es vielleicht abgewehrt werden können, wenn die okzitanischen Fürsten sich ihm geeint entgegengestellt hätten. Aber zwischen den drei mächtigsten Herren des Landes, dem Grafen von Tolosa, seinem Neffen, dem Vescomte de Trencavel, und seinem Vasallen, dem Grafen von Foix, schwelten Konflikte. Hier erwies sich die lockere Lebensart des Languedoc als Nachteil, denn es fehlten eine klare Hierarchie sowie ein Anführer, der die Gegenwehr organisiert hätte. Der Graf von Tolosa schloss sich im letzten Augenblick den Kreuzfahrern an, der Vescomte de Trencavel tat dies nicht, und deshalb wurde an seinen Ländereien ein Exempel statuiert. In Bezers (französisch Béziers) fand ein Massaker statt, dem angeblich sämtliche Einwohner zum Opfer fielen. Kurz darauf begann die Belagerung Carcassonas (französisch Carcassonne), wohin der Vescomte sich zurückgezogen hatte. Carcassona war eine der größten Festungsanlagen des damaligen Europa und hätte daher viele Monate standhalten können, doch ergab es sich schon nach zwei Wochen. Die genauen Hintergründe sind unbekannt. In einigen Quellen wird Wassermangel erwähnt, da die Wasserzufuhr der Stadt außerhalb der Mauern lag und daher von den Belagerern abgeschnitten wurde. Der Vescomte de Trencavel zog aus der Stadt, um zu verhandeln, und wurde gefangen genommen. Daraufhin wurden die Tore geöffnet, die Bevölkerung durfte die Stadt unversehrt verlassen, doch mussten sämtliche Besitztümer zurückbleiben. Die Kreuzfahrer bezogen die Stadt und ließen sich erst einmal dort nieder. Nun wurde Simon de Montfort, der Graf von Leicester, zu ihrem offiziellen Anführer. Die anderen Kreuzritter waren hauptsächlich ins Languedoc gezogen, um ihre Vasallenpflicht gegenüber dem französischen König zu erfüllen, doch Simon de Montfort, ein sehr ehrgeiziger Mann ohne wesentlichen eigenen Besitz, sah die Chance zur Eroberung neuer Ländereien. Er eignete sich das Herrschaftsgebiet des Vescomte de Trencavel an, der einige Monate nach seiner Gefangennahme im Kerker starb. Selbst der Papst äußerte den Verdacht, Simon de Montfort hätte hier nachgeholfen, doch ist
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