Die Kinder aus Nr. 67
kaufen«, rief Paulchen. »Det andere Geld hab' ich dem Eismann gegeben. Vater und Mutter nehmen auch noch zwei Lose, und vielleicht haben wir Glück. Aber ich kauf' bei Lotten.«
Er betrachtete Erwins Tasse gar nicht und lief Lotte nach.
Erwin: »Ach, nimm doch nich von so 'nem Mädchen. Die is viel zu doof, da haste kein Glück. Nimm lieber von mir.«
Er ergriff Pauls Schulter und zog ihn näher.
Paul: »Ne, du, ick hab's Lotte versprochen, laß man.«
Erwin: »Ick wees es aber, ick hab' die besseren Lose. Nimm doch Vernunft an. Mädchen könnten es verlieren. Darum, weißt du«, flüsterte er ihm als Erklärung zu.
Paul blieb stehen. »Ach so, also, wenn du meinst. Dann gib mal her.«
Erwin ließ das Los Nummer Eins rasch in seine Tasse fallen und behielt es sehr sorgsam im Auge, um es dann Paul zu reichen. Hoffentlich stieß ihn jetzt keiner und brachte dabei die Papierröllchen in Unordnung. »Komm, ick geb' dir.« Und schon griff Erwin in die Tasse, um das kostbare Los Paul zu überreichen. Aber da fuhr Paul ganz unerwartet mit seiner Hand dazwischen und rief: »Nee, nee, schüttel mal erst, damit auch kein Betrug dabei is. Ich such' mir selber.«
»Du bist wohl verrückt«, schrie Erwin. Er hatte nicht einmal gewagt aufzusehen, um sein kostbares Los im Auge zu behalten, und jetzt packte ihn Paul am Handgelenk und schwenkte dieses vergnügt auf und ab. Die kleinen Lose kullerten lustig springend durcheinander. Zum Schluß versetzte Paul noch mit seiner flachen Hand der Tasse auch von unten einen Stoß, damit die Röllchen recht durcheinander hüpften.
»So«, lachte er befriedigt, »jetzt is richtig.«
»Esel, du Esel«, brüllte Erwin. Sein Gesicht war rot vor Zorn und Kummer.
Paul trat erschrocken zurück.
»Wat denn?« fragte er ängstlich. »Wat is denn? So macht man det doch.«
Erwin war noch immer außer sich. Er stampfte mit dem Fuß auf und weinte fast.
Die Hausbewohner liefen auf Paul zu.
»Schämt ihr euch nicht, auf solch einem schönen Fest zu streiten?«
Sie sahen, daß Erwin weinte.
»Nimm jetzt dein Los«, sagten sie zu Paul, »und sei ruhig.« Irgendein Harlekin, den sie nicht kannten, nahm Erwin die Tasse aus der Hand und reichte sie Paul.
»Nich doch, nein nicht«, rief Erwin entsetzt. Er wollte dem andern die Tasse entreißen.
»Still jetzt«, befahl der Harlekin.
Paul griff gleichgültig und verstimmt in die Tasse.
»Zwei wollte ich nur«, sagte er, »danke.« Er zog zwei Röllchen heraus.
Erwin nahm die Tasse wieder in seine Hand. »Nun ist alles verpatzt«, knurrte er, »dämliche Ziege.«
Die anderen Kinder tuschelten und drängten sich um Erwin. Dabei sahen sie Paul vorwurfsvoll an. Paul wurde dadurch noch verlegener und hatte gar keine Lust mehr, seine Rollen zu öffnen. Wahrscheinlich hatte er doch nichts gewonnen.
Die Lose waren fast alle verkauft. Die Nummern wurden bereits laut ausgerufen. Alle drängten nach der leeren Wohnung. Sie wollten ihre Nummern mit den Gewinnen vergleichen.
Heiner und Willi, die dort Dienst taten, mußten zeitweilig die Wohnung sperren und die Leute reihenweise antreten lassen.
Nur Erwin besaß noch Lose. Aber ihm war alle Lust vergangen, sie anzupreisen. Wer weiß, wer dabei die leere Wohnung gewann. Um ihretwillen hatten sie doch den ganzen Maskenball veranstaltet. Es war eigentlich Pauls Wohnung und sollte ihm wieder zufallen. Erwin konnte es nicht verhindern, daß viele Unbekannte in seine Tasse griffen und unter ihren Händen auch das letzte Los verschwand.
Oben in der leeren Wohnung schrien die Leute vor Freude immer lauter. Andere standen still im Hof und zerknüllten enttäuscht die Papierschnitzel. »Wir haben kein Glück«, sagten sie. »Das nächstemal«, tröstete sie Vater Brackmann. »Darf ich Sie bitten«, und dann verbeugte er sich und forderte die Nichtgewinner zu einem Trosttanz auf, während das Radio spielte.
Den grüngestrichenen Brackmannschen Kinderwagen gewann Fräulein Holm. Alle lachten und quietschten vor Vergnügen noch lauter.
Aber Fräulein Holm freute sich sehr. Sie trug den Wagen in den Hof und erklärte: »Der hat mir gleich gut gefallen.«
»Nun müssen Se aber schleunigst heiraten, Fräulein«, sagten die Frauen und zwinkerten ihr zu.
Einige Männer boten sich Fräulein Holm als Bräutigam an.
Der Stehgeiger verneigte sich vor ihr und forderte sie zum Tanz auf. Da
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