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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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der Blågårds Plads am Horizont.
    Nun begehen die beiden Typen im Anzug einen Fehler. Sie ändern den Kurs und pesen zu einem dicken schwarzen BMW mit Diplomatenkennzeichen CD, der vor der Stadtteilbibliothek steht, und im nächsten Moment sitzen sie drin und geben Gas.
    Unter normalen Umständen hätten sie uns binnen weniger Sekunden eingeholt. Aber die Umstände sind nicht normal, denn die Blågårdsgade ist eine Fußgängerzone, gesperrt für Kraftfahrzeuge.
    Eigentlich ist sie auch für Pferdewagen verboten. Aber in jedem Dänen steckt die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als Dänemark noch Bauernland war und der König in Kopenhagen mit dem Pferd herumritt und alle Leute Nutztiere hielten und mit den Schweinen in der Küche schliefen, damit es wärmer war und auch wegen der Gemütlichkeit. Daher traten die Passanten, als wir in scharfem Trab heranschossen, freundlich lächelnd beiseite, obwohl Hans die Pferde antrieb, als nähmen wir an einem Rodeo teil.
    Aber als der BMW heranrauscht, ändert sich die Volksstimmung, ich kenne das aus Finø, wenn die Stadt im Sommer eine einzige Fußgängerzone ist, dann steigt in den Menschen der Hass auf, wenn sie ein Auto sehen, das da nicht hingehört. Das CD-Schild hilft dem BMW auch nicht, es macht die Sache nur noch schlimmer, jetzt scharen sich die Massen um das Auto und kesseln es ein.
    Hans sieht sich um und zeigt, dass er in Ausnahmefällen auch außerhalb des Spielfelds den absoluten Ballblick besitzt, er biegt nämlich nach links ab, in eine Seitenstraße. Das ist ein Geniestreich.
    Wir sind in einer Einbahnstraße und fahren in die falsche Richtung, die Fahrbahn ist voller Autos, und einen Moment lang scheinen wir einer Katastrophe entgegenzurasen. Aber als uns die Leute in einer Kutsche sehen, sind die Verkehrsregeln außer Kraft gesetzt. Vielleicht weil eine Kutsche etwas Festliches an sich hat, vielleicht meinen die Leute auch, wir hätten feiernde Abiturienten an Bord, obwohl wir erst April haben, aber das Schuljahr wird ja auch immer kürzer, jedenfalls halten Autos und Fahrräder am Bordstein, manche fahren sogar halb auf den Bürgersteig, keiner hupt, wir haben freie Bahn.
    Auch der BMW biegt jetzt um die Ecke, die beiden Männer haben es geschafft, den Kessel auf der Blågårdsgade zu durchbrechen, jetzt wittern sie Blut.
    Aber das ist nicht von Dauer. Eine Abiturientenkutsche gegen die Fahrtrichtung, das geht, das ist romantisch. Aber ein BMW, das geht gar nicht, das ist eine grobe Übertretung der Verkehrsregeln. Plötzlich befindet sich der Wagen wieder in einem Kessel, diesmal vorwiegend aus Blech, er ist regelrecht umzingelt von anderen Autos, Fahrrädern und Fußgängern, die Verwünschungen ausstoßen, und das Hupkonzert ist ohrenbetäubend.
    Zu diesem Zeitpunkt wissen wir von den beiden Männern nur, dass sie nicht die Väter oder Onkel der singenden Sprinterin sein können, weil ihre Haut so weiß ist wie der Spargel auf Finø. Umso größer ist der Respekt vor ihrem Zweihundermetersprint.
    Ein Respekt, der noch größer wird. Sie springen nämlich aus dem Auto, das sie mitten auf der Straße stehenlassen, kämpfen sich aus der massiven Unpopularität frei und preschen jetzthinter uns her.
    Wenn du schon mal wie ich von Kameraden mit verdorbenem Charakter dazu verführt worden bist, in Finøs Gärten Birnen oder getrocknete Plattfische zu stehlen, dann wirst du wissen, dass erwachsene Menschen, die alt genug sind, um Häuser zu kaufen, Birnbäume zu pflanzen und im Garten Fisch zu trocknen, in der Regel die Fähigkeit oder das Interesse verloren haben, in eine schnellere Gangart zu verfallen als das, was man im besten Fall einen energischen Trott nennen würde. Namentlich, wenn sie auch einen Anzug besitzen. Ich persönlich habe Anzüge immer nur gehen sehen, nie in schnellerer Fortbewegung.
    Dies trifft allerdings nicht auf die beiden Männer zu, die hinter uns her sind. Für mich sind es ältere Leute, wahrscheinlich an die vierzig, aber ihr Spurt ist derart rasant, dass sich das Bild einer düsteren Zukunft abzeichnet, in der wir in Bälde auf eine größere Straße mit dichtem Verkehr stoßen und das Tempo drosseln müssen und die beiden uns einholen – den Gedanken noch weiterzuspinnen, habe ich jetzt keine Lust.
    Tilte und ich haben so eine Theorie entworfen, dass der erste Eindruck von einem Menschen am wichtigsten ist. Bevor man weiß, was einer verdient, ob er Kinder und ein sauberes Führungszeugnis hat, vor all diesem gibt es ein

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