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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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an, dann wandte er sich um, und der junge Lichtalbe versuchte sein Glück, die Kinder zu überzeugen. »Hört mir zu, Gunhild und Siegfried. Vertraut ihm. Es ist so, wie er sagt. Die Nacht ist lang, sehr lang, und wir werden euren Freund befreien, dessen bin ich mir sicher. Die Zeit hier ist eine andere als draußen in der Welt der Menschen.«
    Gunhild wollte ihn unterbrechen, aber Laurion hob die Hand und lächelte.
    »Bitte lasst mich ausreden. Überlegt doch einmal. Als ihr vor der dunklen Brut durch den Wald geflüchtet seid, habt ihr nicht selbst von dem Dämmerlicht erzählt, das sich nicht veränderte; von dem Gewitter, das nicht näher kam. Das waren schon die Schatten der Anderswelt, obwohl ihr es noch nicht wusstet. Glaubt mir, wir haben noch viel Zeit.«
    Gunhild sah in die mitternachtsblauen Augen des Lichtalben, der den Blick mit einem Lächeln erwiderte. Alle Zweifel, die sie noch hegen mochte, schmolzen unter diesem Blick dahin.
    »Aber wir haben nicht so viel Zeit, um hier rumzustehen und zu diskutieren«, sagte Siggi. »Lasst uns weitergehen.«
    Die Raben schwebten von der Decke herab und landeten wieder auf ihren angestammten Plätzen. Der Graue hatte sich aber noch nicht wieder vollständig in der Gewalt; als sie weitermarschierten, brummelte er ständig etwas vor sich hin.
    »Sie sind so ungeduldig, wollen alles anzweifeln«, knurrte er.
    »Lasst sie doch, Weisheit ist nicht die Stärke der Jugend, sondern die des Alters oder der Götter«, ließ sich Laurion beschwichtigend vernehmen, fügte aber ironisch an, »wenn auch nicht aller.«
    »Weisheit erfordert Opfer«, knurrte der Graue übellaunig.
    »Opfer?«, fragte Gunhild.
    »Ja, Opfer«, entgegnete der Graue. »Es gibt da eine alte Geschichte über jemanden, der für die Weisheit ein großes Opfer brachte …«
    Er schwieg eine lange Weile, so dass Gunhild ihn schon misstrauisch von der Seite ansah, weil sie dachte, er habe es sich vielleicht anders überlegt, aber dann begann er doch zu sprechen:
    »Als die Götter die Welt geordnet hatten, lebten sie in Frieden in Asgard, jenseits der Grenzen der Mittelerde. Ihr Herrscher war Tyr, der Gerechte, und er schlichtete jeglichen Streit in der Halle, die man Frohheim nannte, von seinem hohen Sitz, von dem aus man das ganze Universum überschauen konnte. Und es herrschte Frieden auf der Welt.
    Doch unter den Asen war einer, der weiter blickte als die anderen und der wusste, dass der Friede nicht ewig dauern würde. Denn seine Hände waren noch befleckt mit dem Blut Ymirs, mit dessen gewaltsamem Tod die Welt entstanden war.«
    »War er einer der drei?«, konnte Gunhild sich nicht enthalten zu fragen. »Dieser Brüder, meine ich, die den Riesen getötet hatten; ich weiß ihre Namen nicht mehr …«
    »Einer oder alle, was spielt es für eine Rolle?«, fuhr der Alte ungerührt fort. »Was sind schon Namen? Nennen wir ihn Ygg, den Schrecklichen; denn es geht hier um den Baum, den man Yggdrasil, Yggs Streitross, nennt, und wie dieser zu seinem Namen kam. Man nennt ihn auch die Weltenesche.«
    »Wo kommt die jetzt auf einmal her?«, fragte Siggi, der bei den ganzen alten Geschichten irgendwie den Überblick verloren hatte.
    »Ich habe keineswegs die Absicht, euch zu sagen, woher der Weltenbaum kam«, meinte der Graue verärgert. »Er ist einfach da. Ihr könnt ihn nicht sehen, aber ihr dürft mir glauben, dass es ihn gibt. Denkt einfach an eine Kraft, die so ist wie die Anziehungskraft zwischen einem Magneten und einem Stück Eisen. Man kann sie nicht sehen, aber sie ist vorhanden. Für Sterbliche ist Yggdrasil gewiss unsichtbar, aber ohne die Kraft des Weltenbaumes würde alles auseinander fallen und sich in der Unendlichkeit verlieren.
    Die Esche Yggdrasil ist von allen Bäumen der größte und ragt über alle neun Welten und selbst über den Himmel hinaus. Sie ist aus einem Stoff gemacht, der härter als Eisen ist, und doch nagt ein Hirsch ewig an ihrer Krone, und ein Wurm frisst ewig an ihrer Wurzel. Nur die Macht der Runen vermag sie zu bezwingen.
    Drei Wurzeln hat der Weltenbaum: Eine Wurzel reicht bis nach Asgard, dem Reich der Götter; die zweite nach Jötunheim, wo die Riesen wohnen; und die dritte senkt sich nach Nibelheim hinab, in die Unterwelt.
    An der ersten Wurzel liegt der Brunnen der Nornen, der drei Schwestern des Mondes, die das Schicksal der Menschen bestimmen und auch, wie manche meinen, das der Götter. Dort saß Ygg oft und lauschte schweigend ihren Reden. Die zweite Wurzel reicht

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