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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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dem weichen Ledergewand abzeichneten. Er hatte nur Augen für die Halle, die sie vor ihnen auftat.
    War das Licht in den Gängen zumeist fahl, doch gleichmäßig, so herrschte in der Halle des Königs ein unsteter, rötlicher Schein, der nicht strahlte oder blendete, aber den riesigen Raum doch hell erscheinen ließ. Die Quelle dieses Lichts waren große Lampen, die an schweren Ketten von der Decke hingen; sie schienen aus Schmiedeeisen und Kristall zu sein, wuchtig und dennoch kunstvoll gearbeitet. Aus gehämmertem Metall mit Platten aus dunklem Marmor waren auch die Bänke und Tische, an denen die Swart-alfar tafelten. Es mussten Dutzende sein, nein, viel mehr; genau konnte Hagen sie nicht zählen, aber er schätzte, dass sich mindestens drei- oder vierhundert von dem dunklen Volk hier versammelt hatten.
    Für diese Anzahl war der Lärm, den sie machten, eher gering; ja, es herrschte eine erstaunliche Ordnung. Diener mit Krügen und Platten voller Speisen eilten zielstrebig zwischen den Tischen hin und her, bewegten sich nahezu lautlos über den spiegelblank polierten Boden.
    Vieles in der Halle zeugte von der Kunstfertigkeit der Schwarzalben. Es war nicht irgendeine Höhle, sondern es war der Thronsaal eines Königs. Ringsum erhoben sich mächtige Säulen aus Stein, geriefelt und mit Bändern gegliedert. Verbunden waren sie durch Balkone, die zu Öffnungen in den Felswänden führten, und Verstrebungen aus schwarzem Eisen, zwischen denen sich Plattformen auf und nieder senkten. Auf allen Seiten gab es ein ständiges Kommen und Gehen, doch alles geschah mit der Effizienz einer gut geölten Maschinerie. Nirgendwo sah man jemanden hasten oder eilen; nur selten war ein lautes Wort zu vernehmen. Doch selbst dem flüchtigen Beobachter wurde klar, dass dies nicht das Ergebnis von Teilnahmslosigkeit oder Routine war, sondern Teil eines ausgeklügelten Systems, dem sich alle unterwarfen.
    Die Anwesenden schenkten den Neuankömmlingen wenig Beachtung, nur gelegentlich wurde ihnen ein verstohlener Blick zugeworfen. Hagen freilich war dies mehr als nur recht, denn der Anblick der Halle des Königs nahm ihn gefangen.
    So viel Pracht hatte er tief in einer Höhle nicht erwartet. War der gewaltige Kristall vorhin ein natürliches Schauspiel gewesen, so schien in der Halle des Königs nichts dem Zufall überlassen zu sein. Er fühlte sich zurückversetzt in die großen Fabriken seiner Heimatstadt Manchester; dort, in den Fertigungshallen, wo jeder Mann am Fließband zu einem winzigen Rad in eine großen Produktionsmaschine wurde, herrschte die gleiche Zielstrebigkeit – und fast die gleiche Disziplin.
    Als sie das Zentrum der Halle erreichten, stießen sie auf eine gewaltige, wohl zehn Meter durchmessende Kristallfläche, die von Streben wie den Speichen eines riesigen Rades durchzogen war. Als Hagen hinunterblickte, sah er zu seinen Füßen, tief unter ihnen, die Essen und Schmieden des Schwarzalbenvolkes, in denen rot glühendes Eisen durch Rinnen und in Formen floss, um von schweren Kränen in Position gehievt und von den geschäftigen, zwergenhaften Arbeitern mit Hämmern und Pressen in Form gebracht zu werden. Von hier kamen die dumpfen Schläge, die vor dem Tor der Halle zu hören gewesen waren.
    Dann erblickte Hagen den Thron und hatte von diesem Moment nur noch Augen für den Herrschersitz des Albenkönigs.
    Der Thron befand sich auf der gegenüberliegenden Stirnseite. Er schien aus der Wand der Halle herausgemeißelt zu sein und ragte weit in den Saal hervor. Auf vier gedrehten Säulen, die in Schlangenköpfen endeten, erhob sich eine steinerne Kuppel, die aus einem einzigen dunklen Kristall geschnitten war, mächtig und leicht zugleich, und auf ihr lastete eine schwere eiserne Krone, in der geschliffene Kristalle den Schein der Lampen in schillernden Farben zurückwarfen. Sie sahen aus wie Diamanten, doch gewiss hatte es nie Edelsteine von solcher Größe gegeben. Der Thron war über drei Fluchten von jeweils neun Stufen zu erreichen; auf jedem der Absätze standen Swart-alfar in voller Rüstung, mit gezückten Waffen. Doch das größte aller Kunstwerke war der Thron.
    Er war aus einem Stein so schwarz wie die Nacht, der das Licht selbst in sich aufzusaugen schien. Schattengleich ragte er auf, mit mächtigen Schwingen, einem Kamm mit scharfen Graten und Zacken, welcher sich zu einem Echsenhaupt emporschwang, das stolz und anklagend zugleich gen Himmel gerichtet war. Doch keine Echse dieser Art war je in den

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