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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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hinab in einen Quell, der so tief ist, dass keiner seinen Boden kennt; doch an seinem Grunde liegt Gold und in seinem Wasser Weisheit. Die dritte Wurzel aber führt in einen brodelnden Pfuhl, in dem Jörmungand ihren Ursprung hat, die Schlange, die sich um die ganze Welt windet und am Ende der Zeit sich erheben wird.
    Nun begab es sich, dass aus dem Westen neue Götter herbeikamen, von denen die Nornen nichts wussten. Sie nannten sich Wanen; ihr König war Njörd, und seine Kinder hießen Frey und Freya. Sie waren Götter des Lebens und der Fruchtbarkeit. Eines Tages schlich sich Frey aus Übermut in die Halle Frohheim und nahm auf dem hohen Sitz Tyrs Platz, und von dort schaute er bis in die Fernen von Jötunheim und erblickte eine wunderschöne Maid, zu der er in Liebe entbrannte. Daraufhin zog er aus, sie zu gewinnen. Ihr Name war Gerda, und sie folgte ihm aus freien Stücken nach Wanertheim, ohne das Wissen ihrer Eltern. Doch Tyr, der von seinem Übermut erfahren hatte, ließ eine Mauer um Asgard errichten und verkündete, jeder, der sie ohne sein Geheiß überschreite, müsse des Todes sein.
    Aber es war nicht Frey, den man vor seinen Richterstuhl schleppte, sondern eine Riesin, Gerdas Mutter, Gullweig genannt, die auf der Suche nach ihrer Tochter bis ins Asenheim gelangt war. Und die Asen vollzogen an ihr den Richterspruch und banden sie auf den Scheiterhaufen; dreimal verbrannte man sie, da sie drei Leben hatte, und als sie verkohlt war, stieß Tyr selbst ihr das Schwert ins Herz.
    Als die Wanen hörten, was geschehen war, trafen sie sich mit den Asen zu feierlichem Rat und verlangten Genugtuung. Denn nun, da Frey und Gerda den Bund der Ehe geschlossen hatten, war Gullweig eine Sippenverwandte der Wanen geworden, obgleich sie eine üble Hexe gewesen, und daher waren die Wanen gezwungen, ihren Tod zu rächen oder zumindest ein Blutgeld zu verlangen. Doch Tyr sprach: ›Was Recht ist, muss Recht bleiben.‹
    So kam Krieg in die Welt. Beide Seiten waren ungefähr gleich stark, und mal war das Kriegsglück auf der Seite der Wanen, mal auf der Seite der Asen. Doch schließlich wurde der Burgwall der Asen gebrochen, und die Wanen hielten das Feld. Wieder gingen die Berater zu den Richterstühlen und hielten Rat. Und die Klügeren von ihnen wiesen darauf hin, dass jederzeit die Riesen zurückkehren könnten, während alle schutzlos dalägen, und so vereinbarte man einen Waffenstillstand. Tyr bot den Wanen an, Geiseln zu tauschen, um den Frieden wiederherzustellen.
    Infolgedessen gingen zwei der Asen, Mimir und Hönir, zu den Wanen, und Njörd und seine Kinder Frey und Freya sowie Gerda wohnten von mm an in Asgard.
    Doch bald merkten die Wanen, dass Mimir zwar von großer Weisheit war, doch Hönir einfältig, und so hatten sie das Gefühl, beim Tausch von den Asen betrogen worden zu sein. Aus Zorn darüber ergriffen sie Mimir, schlugen ihm den Kopf ab und schickten diesen den Asen.
    Da nahm Ygg Mimirs Haupt, hüllte es in Kräuter und stieg damit hinab an die Quelle des Weltenbaumes, die im fernen Jötunheim liegt. Und als er das Haupt in den Wasserfall tauchte, der die Quelle Odhörir speist, da öffnete Mimir die Lippen und sprach: ›Wer die Weisheit sucht, muss einen Preis bezahlend«
    Die Stimme des Erzählers hatte die Kinder so eingelullt, dass sie kaum noch darauf achteten, wohin der Weg sie führte. Es war keiner der Hauptwege; denn er wand sich durch das Gestein wie eine Schlange. Es gab auch nur wenige Abzweigungen. Doch jetzt waren sie auf einem hohen Sims angelangt, von wo aus ein Wasserfall in die Tiefe stürzte, um sprudelnd in einem unterirdischen Teich zu enden.
    Siggi schwindelte, als sein Blick dem hinabfallenden Wasser folgte, und fast wäre er gefallen, hätte der Alte ihn nicht am Arm gepackt.
    »Obacht«, sagte er. »Nicht jeder Wasserfall birgt Weisheit.«
    »Hier entlang«, wies ihnen Laurion den Weg.
    Sie folgten ihm, bis der Steg sich verbreiterte und zu einem in den Fels gehauenen Eingang führte, flankiert von zwei Bäumen, die sich im ungewissen Dämmerlicht, welches von dem fließenden Wasser widerspiegelt wurde, in einer sanften Brise zu bewegen schienen. Doch als sie näher herantraten, sah man, dass es sich nur um steinerne Reliefs handelte, die aus dem Fels herausgemeißelt worden waren.
    Hinter dem Tor war eine Kammer in den Felsen eingelassen, und zwei Wachen standen dort, in grauen Kleidern und mit silbernen Kettenrüstungen und Helmen, die Kopf, Hals und Wangen bedeckten. Sie

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