Die Kinder der Nibelungen (German Edition)
manches akzeptiert: die Anderswelt, Lichtalben und Dunkelwesen, unterirdische Städte mit leuchtende Kristallen und Legenden vom Anbeginn der Zeit … und einen magischen Ring, der unsichtbar machte, wie Siggi in Gedanken hinzufügte. Und Gunhilds Hand ging wieder zu ihrem Halsband aus Gold und Edelsteinen.
Aber ein Gott ? Ein Gott, der mit einem redete und durch die Gegend zog? Und ein streckenweise ziemlich müder Gott obendrein …
Überhaupt, Gott, das war etwas, zu dem man betete, in der Kirche. Wenn dieses … dieses Wesen da ein Gott war, dann musste sich dahinter etwas ganz anderes verbergen, als sie mit diesen Begriff verbanden. Ein heidnischer Gott außerdem …
Siggi schlug unwillkürlich ein Kreuzzeichen, aber es wurde nur so etwas wie ein T daraus. Wie ein Hammer. Aber das war auch ein Hammer, diese Geschichte!
Laurion sah ihn mit einem schiefen Blick an.
»Ihr habt seine Namen gehört: Allvater, Heervater, Wanderer. Man nannte ihn auch Siegvater, aber das ist lange vorbei.«
»Er wirkt manchmal so zynisch, so unbeherrscht«, sagte Gunhild. »Woher kommt das?«
»Er hat viel hinnehmen müssen. Manches hat er trotz seiner Weisheit selbst verschuldet, aber an vielem tragen andere zumindest eine Mitschuld«, erwiderte Laurion, und seine Stimme klang traurig.
»Aber warum hat er keine Macht mehr?«, fragte Gunhild.
»Weil sein Speer zerbrach. All seine Macht war in dieser Waffe«, sagte Laurion. »Der Speer war die Macht, die nur er zu nutzen verstand, aber ohne ihn war er machtlos. Seitdem irrt er durch die Anderswelt und manchmal durch Midgard, aber er kann nur zuschauen und nur noch sehr, sehr wenig bewirken. Und dabei ist ihm seine Weisheit manchmal mehr im Weg, als er es sich eingestehen will. Erinnert euch an die Worte der Königin. Er hört nicht auf sein Herz, sondern nur auf seinen Verstand; doch manchmal liegt im Gefühl mehr Wahrheit als in der Weisheit selbst.«
Siggi sah Laurion an und versuchte den Sinn des Gehörten zu ergründen.
»Vielleicht«, sagte Laurion zu Siggi, »wirst du die Worte der Königin irgendwann begreifen.«
»Wie ist denn der Speer zerbrochen?«, wollte Gunhild wissen.
»Das ist eine alte Geschichte, die ich euch ein andermal erzählen werde«, sagte Laurion. »Jetzt müssen wir erst einmal weiter.«
»Bitte«, bettelte Siggi.
»Nein, es könnte sein, die Schwarzalben hören uns und könnten uns in einen Hinterhalt locken.«
»Ich glaube«, warf Wali, einer der Lios-alfar ein, »die Kinder sollten diese Geschichte hören. Sie ist lehrreich. Wir könnten spähen, um zu verhindern, dass die dunkle Brut uns vor der Zeit bemerkt.«
»Viele Späher werden hier ohnehin nicht sein, die meisten dürften um die Aufmarschgebiete der großen Heere herum unterwegs sein«, meinte Widar.
»Gut, geht! Ich werde ihnen erzählen, wie Walvater Odin seine Macht verlor«, gab Laurion sich geschlagen. »Auch wenn ich es nicht so gut vermag wie die Königin.«
Er ließ sich auf einen gewachsenen Felsblock nieder, und Siggi und Gunhild hockten sich zu ihm.
»Ihr habt von Fafnir gehört, der das Gold des Nibelungen gewann. Groß ist die Macht des Goldes, das aus dem Schoß der Erde kommt, und je länger Fafnir darüber brütete, umso mehr veränderte sich seine Gestalt, und er wurde zu einem mächtigen Drachen -«
»Fafnir!«, rief Siggi aus. »Das ist der Drache, den Siegfried getötet hat!«
Laurion hob überrascht die Brauen. »Du kennst die Geschichte?«
»Klar«, meinte Siggi. »Ich habe sogar die Oper gesehen.«
»Die Oper?«
»Aber ja!«
»Was ist das?«
»Da, wo die Leute die ganze Zeit singen.«
Laurion schien mit dieser Erklärung nicht sehr viel anfangen zu können; denn er runzelte die Stirn und sagte: »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Es ist so eine Art Geschichte in Liedern. Wie ein Musical«, versuchte Gunhild zu erklären.
»Ah, ja.« Der Lios-alf wirkte immer noch nicht überzeugt, aber fuhr fort: »Was weißt du denn von der Geschichte?«
»Na, der Siegfried hatte ein Schwert, das hat ihm irgend so ein Zwerg geholfen zu schmieden, und damit hat er den Drachen erschlagen. Und dann hat er in dem Drachenblut gebadet und ist dann weitergeritten zu einem flammenden Berg, und da hat er eine Frau gefunden.«
Laurion lächelte. »So weit, so gut. Der Name des Zwerges war Regin -«
»Der … der Bruder von Alberich?« Siggi hatte offensichtlich doch aufgepasst.
»Ja. In ihm schwelte seit langem der Hass, und er wollte sich den Schatz – und den Ring
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