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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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ihnen dafür nur neun Tage Zeit; wenn sie binnen dieser Frist nicht den letzten Stein der Mauer auftürmten, sollten sie leer ausgehen, doch sonst wollte er ihnen einen Wunsch erfüllen, so er es vermochte. Dies schwor er mit heiligem Eid.
    In jeder Nacht riss Loki, als Wolf verkleidet, einen Teil der Mauer wieder ein, doch jeden Tag wuchs das Werk dennoch weiter, und nach neun Tagen war der letzte Stein gefügt. Da kamen die Riesen zu Odin, um ihren Lohn zu fordern.
    ›Was begehrt ihr?‹
    Und sie sagten: ›Freya.‹
    Als Thor, der Donnerer, dies hörte, ergrimmte er und hob seinen Hammer, um sie zu erschlagen. Doch Odin gebot ihm Einhalt.
    ›Ich habe beim Speer des Gesetzes geschworen‹, sprach er, ›und diesen Eid muss ich halten, damit die Ordnung der Welt nicht in Stücke geht.‹
    Doch Loki, der Listenreiche, sagte: ›Gebt uns einen Tag und eine Nacht, dann könnt ihr von uns haben, was immer Euer Begehr ist.‹
    Die Riesen aber wollten nicht mit sich handeln lassen, ehe man ihnen nicht Freya, die Schöne, als Geisel ließ. Daraufhin gelobten sie, wiederzukehren, sobald die Frist verstrichen sei, um sich zu entscheiden.
    Also blieben die Götter allein in Walhall zurück, und Odin sprach zu Loki: ›Du warst es, der mir den Rat gab, mit den Riesen einen solchen Pakt zu schließen. Was rätst du mir nun.‹ ›Es gibt nur eines auf der Welt, was höher steht als die Reize einer Frau‹, entgegnete Loki, ›und das ist das Gold, tun dessentwillen Alberich der Nibelung der Liebe entsagte. Nur der Schatz des Nibelungen wird die Riesen bewegen, uns Freya zurückzugeben. Ich werde dich dorthin führen, und mit deiner Zaubermacht und meiner List werden wir diesen Preis erringen.‹
    Odin aber dachte im Geheimen an den Ring, den er begehrte, und so sagte er: ›Dann zeig mir den Weg!‹«
    Die Verborgene Königin machte eine Pause und fuhr dann fort:
    »Wer Loki wirklich war, das haben wir … haben die Asen nie gewusst. Einige sagen, er sei der Sohn eines Riesen gewesen; andere meinen, er sei einer der Wanen; wieder andere behaupten, er sei aus dem Urfeuer selbst geboren worden, in den fernsten Regionen von Muspelheim. Doch als Loki in Odins Halle kam, begrüßte ihn der Allvater wie einen lange ersehnten Bruder. Vielleicht war er sein Bruder, ob im Blute oder im Geiste, sein anderes, dunkles Ich. Er war schön von Gestalt, doch in seinen Augen brannte eine unstete Flamme. In jenen frühen Tagen war Loki das Feuer der Götter – sie bedienten sich seiner, sie spielten damit, doch am Ende verbrannten sie sich.
    Gemeinsam stürzten sich Odin und Loki in die Tiefe von Mîmirs Quell, der mit allen Welten in Verbindung steht, und durch die Schwefelklüfte schwangen sie sich hinunter nach Nibelheim, ins Reich der Schwarzalben.
    Der Erste, den sie dort trafen, war Regin, Alberichs Bruder. Er neidete diesem seit langem seinen Glanz und seine Macht. Als er die Götter sah, sprach er: ›Wer seid ihr, und was wollt ihr hier? Wisst ihr nicht, dass dies Alberichs Reich ist?‹
    Darauf antwortete Loki, der Listenreiche: ›Wir sind gekommen, die Schwarzalben aus der Knechtschaft Alberichs zu befreien.‹
    Regin aber entgegnete: ›Keiner ist stärker als Alberich. Der Ring der Macht, den er sich geschmiedet hat, macht ihn unsichtbar. Keiner hat mehr den Mut, etwas gegen ihn zu sagen – oder zu tun.‹
    Doch Loki sprach: ›Führ uns zu ihm.‹
    So wurden sie vor Alberichs Thron geführt, in eine dunkle, verrußte Halle, wo sich hässlich und schwarz sein Sitz erhob, umgeben vom Gewimmel seiner verkrümmten, ängstlich geduckten Sklaven. Alberich aber war der hässlichste von allen, wenngleich seinen Hals das Brisingamen, das schönste aller Kleinode zierte, und als er die Asen sah, zischte er:
    ›Kommen nun endlich auch die Götter von ihren Höhen herab, um mir zu huldigen?‹
    Odin setzte zu einer zornigen Erwiderung an, doch Loki sagte: ›Wir kamen, um die Wahrheit über die mächtigen Wunder von Nibelheim zu erfahren. Doch am meisten wundert mich, wie sehr die Zwerge vor diesem goldenen Ring zittern, den du angeblich besitzt. Es heißt, er gebe dir die Macht, sich unsichtbar zu machen?‹
    Alberich zog den Ring hervor, den er stets verborgen hielt, und streifte ihn über den Finger. Als gleich verschwand er vor den Augen aller; doch Loki wurde von einem Schlag zurückgeschleudert, und eine Stimme ertönte aus dem Nichts: ›Ergibst du dich nun, du elender Wicht?‹
    Loki wand sich am Boden und sprach: Verschone mein

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