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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Laurion. »Allein die Tatsache, dass man in den Höhlen lebt, bedeutet nicht, die Furcht nicht zu kennen, wenn man sich durch Röhren oder schmale Durchlässe zwängen muss.«
    Siggi sah dem Lios-alf in die Augen, und er konnte kein falsches Mitleid darin erblicken.
    Damit war das Thema beendet. Laurion griff abermals nach seiner Feldflasche und reichte sie herum.
    »Die ist ja wieder voll!«, entfuhr es Gunhild. »Wo hast du die denn nachgefüllt?«
    »Die Königin hat die Flasche geweiht«, entgegnete Laurion zum zweiten Mal.
    »Kann sie so was?«, fragte Gunhild.
    »Sie kann noch viel mehr«, entgegnete Laurion. »Sie ist noch eines der wirklich zaubermächtigen Wesen der Anderswelt.«
    »Warum zaubert sie da die Swart-alfar nicht einfach weg?«, fragte Siggi.
    »Weil das nicht die Natur ihres Zaubers ist. Ihre Magie vernichtet nicht; sie erschafft oder hilft. Und außerdem haben auch die Swart-alfar ihren König, und auch er ist in gewisser Hinsicht eines Zaubers mächtig, einer Macht, die uns fremd ist«, erklärte Laurion.
    Siggi und Gunhild begriffen kaum etwas von dem; denn ihnen war jegliche Zaubermacht bis vor kurzem überhaupt fremd gewesen. Ihr Vater hatte ihnen einige Zauberkunststücke erklärt und hatte gesagt, alles was mit Zauberei zusammenhänge, sei Illusion und Fingerfertigkeit. Doch die letzten Stunden hatte ihnen bewiesen, das es Dinge gab, die weit über das hinausreichten, was mit bloßen Tricks zu erklären war. Warum also sollte es nicht möglich sein, dass eine Wasserflasche durch Zauber wieder gefüllt wurde?
    »Kommt jetzt, wir müssen weiter«, sagte Laurion, nachdem sie alle getrunken hatten.
    Der Trank hatte die Furcht vertrieben. Sie waren erfrischt, und auch Siggi fühlte sich wieder kräftig genug, den Weg fortzusetzen.
    Der Gang vor ihn war wieder so, dass sie aufrecht gehen konnten, und so breit, dass man selbst mit ausgestreckten Armen die Seitenwände nicht berührte.
    »Ist es noch weit?«, fragte Siggi wieder.
    »Wir kommen immer näher«, entgegnete Laurion mit gedämpfter Stimme, »und von nun an sollten wir schweigen.«
    »Eine Frage noch«, flüsterte Gunhild, und sie wartete damit, bis Laurion sie auffordernd ansah. »Gibt es hier noch irgendwelche Fallen?«
    »Eigentlich nicht mehr«, antworte Laurion, »aber man kann nie wissen, was die Swart-alfar so ausbrüten. Ihr habt gesehen, ihre Werkzeuge haben überall die Höhlen verschandelt. Aber wir werden vorsichtig sein und das Beste hoffen.«
    Sie setzten ihren Weg fort. Siggi bemerkte, dass das Licht an Intensität gewann, heller wurde. Der Fels war einfacher auszumachen. Laurion schien seine Augen überall zu haben, aber er wich nicht mehr vom geraden Weg in diesem Gang ab, als gäbe es hier keine Fallen.
    Trotzdem blieben die Kinder hinter ihm und wichen nicht aus seiner Spur; denn es mochte immerhin sein, dass auch Laurion etwas übersah, oder die Fallen waren auf diesem Weg an den Seiten. Fragen wollten sie ihn nicht. Außerdem war Schweigen geboten.
    Einen Moment schien der Lichtalbe plötzlich zu zögern, dann folgte er weiter den geraden Weg in der Mitte des Ganges. Seine Augen richteten sich zu Decke, als suche er etwas. Sein Schritt schien Siggi ein wenig unsicher zu sein, als habe Laurion das Gefühl, etwas übersehen zu haben, aber er wusste wohl nicht, was er sein könnte.
    Ohne Vorwarnung brach unter ihnen der Boden weg.
    Siggi und Gunhild schrien entsetzt auf, und der Schrei wurde tausendfach als Echo aus der unergründlichen Tiefe zurückgeworfen.
    »Bei den Schlangen der Hei!«, stieß Laurion aus, und das war das Letzte, was Siggi von ihm hörte.
    Siggi schrie, als sie in die bodenlose Finsternis stürzten. Kein Licht gab den Blick auf spitze Felsnadeln oder gifttriefende Speere frei. Nur Finsternis, und das erschreckte ihn nur umso mehr.
    Er wusste nicht, was ihn am Ende des Sturzes erwartete, aber bevor sich die Bilder seiner Fantasie verselbständigen konnten – er mochte wohl zwei oder drei Meter gefallen sein -, schlug er hart auf. Die Luft wurde ihm aus dem Brustkorb gepresst, und so verstummte sein Schrei. Benommen durch den Aufprall, merkte er gar nicht recht, was mit ihm geschah.
    Siggi spürte einen Luftzug im Gesicht, aber es dauerte noch zwei, drei Sekunden, bis er begriff, dass nicht die Luft sich bewegte, sondern er selbst. Er rutschte auf glatten Fels in die Tiefe. Die Schräge war unglaublich, und die Geschwindigkeit, die Siggi erreicht hatte, musste gewaltig sein. Der Fels war so glatt,

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