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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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sehen …«
    »Und dann werden wir sehen …«, antwortete Alberich wie ein Echo, und er lächelte dabei, »was geschehen wird, Midgard-Knabe. Du wirst überrascht sein.«
    Siggi antwortete nicht. Aber er wusste, sollte es so weit kommen, würde er rasch und ohne zu überlegen handeln. Siggi dachte immer nur noch von Augenblick zu Augenblick, und er wunderte sich kein bisschen darüber, dass es ihm so leicht fiel, denn der Zauderer in ihm schien völlig verdrängt zu sein. Sein Herz pochte, aber nicht aus Furcht, sondern vor einer wilden Freude, die das Blut schneller durch seine Adern trieb.
    »Nun denn«, sagte Alberich und hob die Hand. »Macht ihn los.«
    Zwei der Swart-alfar traten zu Hagen hinüber, und mit wenigen Handgriffen hatten sie die schweren Ketten von seinen Armen und Beinen gelöst. Fast sah es so aus, als hätte er sich ohne Mühe selber befreien können. Aber das musste eine Täuschung sein, dachte Siggi; was wusste er schon von der Technik der Schwarzalben? Hagen jedenfalls war augenscheinlich am Ende seiner Kräfte; er sackte in sich zusammen und musste von den beiden Kriegern gestützt werden, die ihn mehr mit sich schleiften, als dass er ging.
    Alberich wandte sich um und trat hinaus auf eine Anhöhe, die wie eine natürliche Halbinsel in den Lavasee hinausragte. Doch als Siggi ihm zögernd folgte, erkannte er, dass nichts an diesem Vorsprung natürlich war. Stufen waren in den Stein gemeißelt, und aus dem Podest, das sich auf der Kuppe des Hügels erhob, ragte ein einzelner schwarzer Block hervor. Er war rund und ringsum mit verschlungenen Bandornamenten bedeckt, einem Fries, das sich um den ganzen Rand zog. Das Flechtwerk war so verwickelt und verwirrend in seinen Knoten und Verästelungen, dass das Auge ihm nicht folgen konnte; doch es hatte fast den Anschein, an handele es sich um ein einziges Band, ohne Anfang und Ende, geschuppt wie eine Schlange. In dem unsteten Licht, das von dem Lavasee heraufschimmerte, schienen die schuppigen Windungen zu leben – ein ewiger Tanz, voller Schönheit und Gefahr zugleich. Der Spiegel des Steines war glatt wie Glas, doch als Alberich sich darüber beugte, war kein Spiegelbild darin zu sehen, nur ein Reigen von aufglimmenden Strahlen, schimmernden Fäden gleich, die aus dem Nichts heraufstiegen und wieder im Dunkel vergingen.
    »Dies ist der Amboss der Hei«, sprach der Herr der Swart-alfar. »Auf ihm wurde vor Urzeiten das Schicksal der Welt geschmiedet. Große Dinge nahmen von hier seinen Ursprung. Kleinode von mächtiger Zauberkraft sind Wer entstanden. Hier schmiedeten die Zwerge von Brisings Stamm das Halsband der Welten. Und ich …« Er brach ab, aber Siggi wusste genau, was er sagen wollte, als hätte er es laut ausgesprochen.
    Ich schuf hier den Ring.
    Heiß brennt das Feuer der Zwergenglut, doch heißer noch war der flammende Reif, der vor seinem geistigen Auge stand. Der Ring rief ihn mit Macht, und er musste mit Gewalt an sich halten, nicht in die Tasche zu greifen und ihn sich überzustreifen. Es wäre so einfach gewesen. Doch er durfte es nicht tun. Er musste an seine Freunde denken, an Hagen, an Gunhild und Laurion. Zeit! Er musste Zeit gewinnen. Seine Hand schloss sich um den Griff des Hammers, und Kraft durchflutete ihn.
    Alberich machte eine kurze herrische Geste, und einer der Krieger, die immer noch das Schwert gezückt hatten, ließ seine Klinge in die Scheide gleiten, eilte durch die Geheimtür hinaus, um gleich darauf mit einem Bündel aus grauem Tuch zurückzukehren. Geradezu ehrfurchtsvoll überreichte er es seinem König.
    Alberich warf das Bündel auf den Amboss und riss das Tuch beiseite.
    »Sieh hier, Midgard-Knabe …«, begann er.
    Doch Siggi unterbrach ihn: »Nenn mich bei meinem Namen, Wicht! Ich bin Siegfried.«
    War es ein Donner, der verhalten grollte, oder nur eine Bewegung in den Lavamassen, die sich gegeneinander rieben?
    Alberich wirkte zum ersten Mal ein wenig aus der Fassung gebracht. »Das ist der Speer, denn du für mich schmieden sollst.«
    Siegfrieds Blick fiel auf die beiden Bruchstücke, die auf dem Amboss lagen. Sie waren so schwarz wie das Material, aus dem der geheimnisvolle Obelisk geschaffen war. Seltsame Zeichen bedeckten ihn, eingeritzt, dunkelrot gefärbt, schimmernd im Widerschein der Feuerzungen, die aus den Tiefen des Steines aufschienen.
    »Was ist das für ein Speer?«, fragte Siegfried, obwohl er in diesem Augenblick die Antwort schon erahnte.
    »Es ist der Speer, den einst Walvater Odin

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