Die Kinder der Nibelungen (German Edition)
drei schweigend auf dem Weg unten an. Die Unbeschwertheit, die anfangs auf ihrem Ausflug geherrscht hatte, war verflogen.
Das Gewitter rückte immer näher. Die Luft war schwer wie Blei, und der Nebel begann sich zu verdichten. Jedes der drei Kinder fürchtete die Minute, da die Nebelschwaden sich zu einer einzigen grauen Masse zusammenziehen und ihnen die Sicht nehmen könnten. In diesem grauen Wattedunst konnte sich alles verbergen, und das war es, was ihnen Angst machte: das Unbekannte, das Nichtgreifbare, das Unerklärliche.
Unbewusst beschleunigten sie ihre Schritte. Die dunklen Wolken sorgten dafür, dass nicht nur der Nebel aufzog, sondern auch die Sonne verborgen war, so dass es nun weit vor der Zeit zu dämmern begann. Zusätzlich wurde das Licht noch durch die mächtigen Baumkronen gedämpft, die den Weg überdachten. Das Zwielicht wuchs und damit auch die Angst.
Sie kamen an die Abzweigung, die zum Brunnen führte, aber gingen daran vorbei, ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden. Sie schwiegen immer noch, weil jeder viel zu sehr damit beschäftigt war, die eigene aufkeimende Angst zu bekämpfen, zu verhindern, dass der Samen der Furcht aufging.
Schließlich war es Hagen, der das Schweigen brach. Er konnte seinen Verdacht nicht mehr für sich behalten. Stolz hin oder her, es war besser, darüber zu reden.
»Hört mal«, begann er vorsichtig. »Ich habe das Gefühl, dass uns jemand beobachtet.«
Siggi und Gunhild sahen Hagen an, ohne im Laufen einzuhalten. Dann blickten sie sich automatisch um, konnten aber nichts entdecken – was nichts heißen wollte, denn die Bäume verschwammen im Nebel, und dunkler wurde es auch. Das Zwielicht konnte den Augen leicht einen Streich spielen.
Irgendwo knackte ein Ast.
»Was – was war das?«, fragte Siggi, und er bemühte sich nicht einmal, seine Stimme furchtlos und unerschrocken klingen zu lassen. »Da war doch ein Geräusch.«
Ein Blitz leuchtete für einen Moment durch die Baumkronen und tauchte den Wald und das dichte Unterholz in ein unwirkliches Licht. Augenblicke später grollte der Donner, schon bedeutend näher als zuletzt.
»Ich glaube, da ist jemand, der uns verfolgt«, sagte Hagen noch mal. Auch seine Stimme hatte an Festigkeit verloren. »Ich spüre es schon die ganze Zeit, seit wir den Rastplatz verlassen haben. Da ist einer hinter uns.«
»Ach was«, sagte Gunhild. Wenigstens sie versuchte noch, sich nicht einschüchtern zu lassen. »Die Typen, die unsere Räder demoliert haben, würden uns doch nicht nachschleichen. So wie die sich aufgeführt haben, hätten wir es gleich mit denen zu tun gekriegt.«
»Aber das Geräusch …?«, wagte Siggi einzuwerfen.
»Das war bestimmt ein Tier«, entgegnete Gunhild, wobei sie keineswegs selbst überzeugt war von dem, was sie als Begründung anbot. Sie erinnerte sich plötzlich an den Donnerschlag am Brunnen; auch der war nicht zu erklären gewesen …
»Aber ich bin mir sicher«, sagte Hagen. »Da ist wer.«
»Solange er uns nur beobachtet, geht es noch. Außerdem sind wir zu dritt«, entgegnete Gunhild.
Das Mädchen entdeckte einen Stock am Wegrand und nahm ihn auf. Es war ein abgebrochener Ast einer Eiche.
»Sucht euch auch einen Knüppel«, sagte sie. »Den könnt ihr auch als Wanderstab benutzen.«
Die Jungen sahen sich um, und sie fanden auch jeweils einen massiven Stock, den sie als Waffe einsetzen konnten.
»Weiter jetzt«, kommandierte Gunhild. »Das Gewitter rückt näher.«
Als ob der Himmel ihre Worte bestätigen wollte, zuckte wieder ein Blitz über den Himmel, unmittelbar gefolgt von einem Donnerschlag.
Sie rannten weiter. Der Weg schien sich ewig lang hinzuziehen. Der immer dichter werdende Nebel, die einsetzende Dunkelheit und der düstere Wald schienen Hagen jede Orientierung unmöglich zu machen. Er sah sich immer wieder um; denn es war, als bohrten sich Blicke in seinen Nacken.
»Wisst ihr noch, wo es lang geht?«, fragte er besorgt.
»Na klar«, entgegnete Gunhild. »Wir müssen diesen Weg noch ein Stück folgen, dann kommt eine Abzweigung; auf der geht es dann weiter nach unten.«
Siggi war sich nicht so sicher. Der Waldgasthof war ein Ziel für Wanderer und Touristen. In diesen Teil des Waldes kamen Gunhild und er selten, und innerlich verfluchte er sich dafür, den Vorschlag mit dem Gasthof gemacht zu haben. Aber alles Gejammer half nun nicht mehr. Sie mussten sich auf Gunhilds Orientierungssinn verlassen.
Auch Gunhild war sich längst nicht mehr sicher, ob sie auf
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