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Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Die Kinder der Nibelungen (German Edition)

Titel: Die Kinder der Nibelungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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seine Umgebung.
    Nur noch fünf Schritte, dann war er nahe genug heran.
    Siggi bückte sich, um aus einer Quelle zu trinken, die im Zentrum der Grotte entsprang. Beide wandten ihm den Rücken zu.
    Das war seine Chance. Nur noch drei Schritte. Noch zwei, noch einer.
    Hagen hob den Speer. In diesem Augenblick wandte Gunhild sich um …
    … doch es war nicht Gunhild.
    Das Halsband der Verborgenen Königin erstrahlte auf ihrer Brust. Die Juwelen der neun Welten Yggdrasils, welche vor Urzeiten die kundige Hand der Zwerge darin eingefügt hatte, schimmerten in allen Farben des Regenbogens. Sie woben ein Netz aus Licht, in dem die Gestalt des Mädchens erhöht wurde zu etwas Übermenschlichem, etwas unbeschreiblich Schönem, vor dessen Bild nur eines möglich war: sich niederzuwerfen, um ihr sein Herz darzubringen und sie anzubeten.
    In der Grotte Bifrösts, an der Wurzel der Regenbogenbrücke, die einst zu den hohen Hallen Asgards emporgeführt hatte, stand Freya, die Herrin der Liebe, in ihrem göttlichen Glanz.
    »Komm heraus, Loki!«, sagte sie.
    Ein Schatten löste sich aus den Wänden.
    Er war das genaue Gegenteil von allem, für das Freya stand. In seinen dunklen Zügen war etwas von Alberich zu finden, aber auch von Hagen, von dem Neid, dem Hass und der Ungerechtigkeit, die immer Zwietracht unter den Völkern säen.
    Auch ihn umgab ein Schimmer, doch es war nicht das reine Licht, das die Göttin umstrahlte, sondern ein unstetes Flackern, wie von Blitzen, und das Feuer, das in seinem Blick brannte, war eine lodernde Flamme, die alles verzehrte.
    »Wohl getroffen«, sagte er. Seine Stimme war warm und einschmeichelnd und so unendlich überzeugend, dass man meinte, sie schon immer gehört zu haben und dass sie nur das aussprach, was man selbst schon immer gedacht und geglaubt hatte – und wer weiß, vielleicht war dem ja wirklich so …
    »Genug!«, sprach die Göttin. »Du hast dieses Kind in deinen Bann gezogen.« Sie wies auf Hagen, der erstarrt dastand, wie festgefroren in der Bewegung. »Ich will, dass du es freigibst.«
    »Habe ich das?«, schnurrte die Stimme. Loki wandte sich und schlich um Hagen herum, betrachtete ihn von allen Seiten wie ein interessantes Museumsstück. Hagen schaute starr geradeaus, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken; sein Blick war ausdruckslos und leer. Auch Siggi war in seiner knienden Haltung erstarrt; es war wie eine dreidimensionale Szene in einem Wachsfigurenkabinett, festgefroren in einem Augenblick der Zeit.
    »Ich habe nur Gedanken in ihm geweckt, die ohnehin in ihm schlummerten«, fuhr Loki fort. »Ich habe ihm gesagt, er müsse diese Tat aus freiem Willen begehen. Keiner hat ihn gezwungen, und siehe, hier ist er nun.«
    »Du weckst immer nur die dunklen Gedanken, die in jedem Herzen schlummern. Gedanken an Rache, Tod und Vergeltung. Ich habe euch Asen nie getraut. Eure Herrschaft hat mit einem Mord begonnen, dem Mord an Ymir, mit dem Weltenbrand soll sie enden. Die Wanen dagegen, denen ich entstamme, sind stets Götter der Freude und des Lebens gewesen. Nur aus Mitleid mit den letzten Überlebenden Asgards habe ich die Herrschaft über die Lios-alfar übernommen, als die Verborgene Königin -«
    »Dann herrsche nicht länger im Verborgenen!«, rief Loki aus. »Zusammen mit mir kannst du die Herrschaft über die Welt gewinnen. Wir beide, Licht und Schatten, wir brauchen einander. Dich, die sie lieben; mich, den sie fürchten. Lass nur geschehen, was geschehen muss!«
    »Was geschehen muss ? Und wo bleibt der freie Wille, von dem du sprachst?«
    »Sieh doch die Szene: Hagen und Siegfried. Alles ist bereit für die entscheidende Tat.«
    »Ich sehe nur Baldur den Schönen und Höd mit dem Mistelzweig.«
    »Gib mir eine Chance.« Die Stimme Lokis wurde flehend, mitleiderregend, dass sie direkt von Herz zu Herzen sprach. »Meine Brüder, Odin und Thor, haben die ihre vertan. Seit undenklichen Zeiten liege ich gepeinigt in Fesseln in den Feuern von Muspelheim, wandere nur als Schatten umher. Dies ist die letzte Gelegenheit, die ich je haben werde. Oder, ich schwöre dir, ich werde die Bande zerreißen, auch wenn die Glut mich verzehrt und alle mit ins Verderben zieht.«
    »Es sei«, sprach die Göttin. »Ich nehme den Bann von ihnen, den Odin, Thor und du ihnen auferlegt haben. Dann sollen sie selbst entscheiden, wes Geistes Kinder sie sind.« Und sie wandte sich um …
    … »Hagen! Bist du verrückt?«, schrie Gunhild.
    Sie hatte sich gerade noch rechtzeitig umgedreht, um zu

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