Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
Fahrgelegenheit zum Bahnhof.«
»Ich fürchte, der komplette Zugverkehr in Süditalien wird bestreikt«, erklärte der Schotte, während er den Servierwagen zur Tür rollte.
»Sagen Sie bloß, der Vulkan wirkt sich auch darauf aus?«
»Nein, nein. Sie wollen bloß mehr Geld. Und sie streiken gerade jetzt, weil sie sich die Tatsache zunutze machen wollen, dass keine Flugzeuge fliegen.«
»Machiavelli hätte seine helle Freude gehabt«, sagte Groanin.»Dann brauche ich einen Taxifahrer, der gewillt ist, mich nach Rom zu bringen.«
»Wie Sie wünschen, Sir. Gute Nacht, Sir. Schlafen Sie gut, Sir.«
»Ja, ich glaube, das werde ich. Ich werde sicher gut schlafen. Dieser Tag war in mehr als einer Hinsicht ausgesprochen anstrengend und ermüdend.«
Der Schotte zog die Tür hinter sich zu und rieb sich hämisch die Hände.
»Schlaf gut, du englischer Fettwanst«, murmelte er in freudiger Erwartung seines baldigen Glücks und schob den Servierwagen in den Aufzug. »Angenehme Nachtruhe.«
Es war ein Glück, dass Groanin sein Abendessen nicht angerührt hatte, denn Angus hatte ein starkes Schlafmittel daruntergemischt. Irgendwann in den frühen Morgenstunden beabsichtigte er, ins Zimmer des ungehobelten englischen Butlers zu schleichen und die Tasche mit Bargeld zu stehlen, die John mithilfe von Dschinnkraft für Groanin geschaffen hatte.
Groanin leerte ein paar Tüten Kartoffelchips aus der Minibar, sah ein wenig fern und erfuhr auf diese Weise, dass auch verschiedene andere europäische Vulkane Zeichen von Aktivität zeigten: die Montañas del Fuego auf Lanzarote, die Hekla auf Island und der Vulkan von Santorin in der Nähe des griechischen Festlands. Es gab keinen Zweifel, überlegte Groanin, er musste so schnell wie möglich nach Rom, um einen Flug nach Manchester zu erwischen. Wenn sich die Auswirkungen des Streiks und der Vulkane erst richtig bemerkbar machten, lief er Gefahr, für den Rest des Sommers auf dem europäischen Kontinent festzusitzen.
Groanin nahm sein Gebiss aus dem Mund, ließ es in ein großes Glas Wodka Tonic fallen und ging zu Bett.
Trotz der einschläfernden Wirkung von
David Copperfield
hatte Groanin in dieser Nacht keinen allzu festen Schlaf. Kurz vor Tagesanbruch weckten ihn verstohlene Geräusche im Zimmer, das von dem durch die zerschlissenen Vorhänge hereinfallenden Licht der Straßenlaterne vor seinem Fenster hell erleuchtet wurde. Er öffnete ein Auge und sah eine Gestalt mit seiner Geldtasche in der Hand zur Tür schleichen. Groanin zögerte nicht. Er tastete nach einer Waffe, und das Erste, was er in die Finger bekam, war das silbergerahmte Porträt Ihrer Majestät der Königin. Er schleuderte das Bild wie eine Frisbeescheibe durchs Zimmer, dass es Angus mit voller Wucht an den Hinterkopf knallte und ihm das Bewusstsein raubte – aber nicht, ohne vorher zu Bruch zu gehen.
Groanin schaltete die Nachttischlampe an, setzte sein Gebiss ein, trank den Wodka Tonic, sprang aus dem Bett und betrachtete niedergeschlagen die Szene, die sich ihm bot.
Angus rieb sich mit lautem Stöhnen den rothaarigen Schopf.
»Es tut mir unendlich leid«, sagte Groanin zu dem Porträt. »Ich hätte alles gegeben, um das zu vermeiden, Eure Majestät. Dass Ihr als Projektil herhalten musstet, um einen diebischen Schotten niederzustrecken, ist wirklich unwürdig. Die Respektlosigkeit verschlägt einem die Sprache. Aber in der Hitze des Gefechts habe ich gepackt, was ich in die Finger bekam, und es durchs Zimmer geschleudert. Es tut mir aufrichtig leid.«
Er stieß die Geldtasche ans andere Ende des Zimmers und begann, die Scherben aufzusammeln. Er nickte der Frau auf dem Foto zu und stellte sie mitsamt dem Silberrahmen und der Papprückseite auf sein Bett.
»Schon gut«, sagte Angus. »Ist nichts weiter passiert, glaube ich.«
Groanin bückte sich und versetzte dem Schotten einen Schlag auf sein pinkfarbenes Ohr. »Aua!«, sagte Angus.
»Mit dir redet keiner, Rob Räuber MacGregor. Höchstens die Polizei, sobald ich sie angerufen habe.«
Er griff zum Telefonhörer und begann zu wählen.
»Bitte, Sir. Haben Sie Mitleid mit mir. Die Polizei hat schon eine Akte über mich und wird mich verhaften. Ich werde mit Sicherheit ausgewiesen.« Angus rollte sich herum und nahm eine flehende Körperhaltung ein.
Groanin hörte auf zu wählen. Als ehemaligem Dieb gefiel es ihm nicht, jemanden der Polizei auszuliefern: Wenn Nimrod sich nicht so nachsichtig gezeigt hätte, wäre er, Groanin, womöglich selbst ins
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