Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
nicht direkt. Er beschloss, sich dem Thema auf Umwegen zu nähern, indem er zuerst über Musik redete, von der es hieß, kein Tier sei so wild, dass sie es nicht zu zähmen vermöge, was natürlich auch für Eiscreme galt.
»Äh, die Melodie, die Ihr Wagen da spielt«, sagte er, »kommt mir irgendwie bekannt vor, was ist das?«
»Es heißt ›Parla più piano‹. Gefällt Ihnen, Engländer?«
»Ja, sie gefällt mir sehr. Ist sehr beruhigend und romantisch.«
»Und sehr italienisch auch.«
»Ja, das stimmt. Es ist die Art von Musik, bei der man an Sommer, Blumen und freundliche Italiener, an gutes Essen und glückliche Familien denkt. Die Art von Musik, bei der man sich wundert, warum ein Mann mit einer Schrotflinte in seinem Eisauto durch die Gegend fährt.«
Bruno zuckte die Achseln. »Wenn Sie neben mir auf Kutschbock sitzen, brauchen Sie Schrotflinte, Engländer. Was denken Sie von mir?«
Erst jetzt bemerkte Groanin, dass Bruno eine kugelsichere Weste trug. Sie war schwarz und hatte ein kleines grünes Krokodil auf der Brusttasche.
»Sie meinen, ich soll den Wachposten auf dem Beifahrersitzspielen, so wie in den alten Westernfilmen?«, fragte Groanin. »Sie machen Witze, oder? Auf der
Autostrada
gibt es keine Indianer.«
»Vor Indianern müssen wir nicht auf Hut sein.« Bruno lachte. »Und bis Rom Sie können ganz entspannt sein, Engländer. Ärger kommt erst dann.«
»Welcher Ärger?«
»Eiscreme wird in Rom kontrolliert von Mafia. Eiscreme in Neapel wird kontrolliert von Camorra. Camorra ist gleiche Bande wie Mafia. Eisverkäufer in Rom zahlen Schutzgeld an Mafia. Deshalb mögen sie keine Eisverkäufer aus Neapel in ihre Stadt. Ich will in Rom keine Eis verkaufen. Aber Mafia weiß das nicht.« Bruno zuckte die Achseln. »Also legen Sie Schrotflinte auf Knie für Fall, dass jemand Eiswagen entführen will.
Capito?
«
»Hören Sie, Bruno, ich will doch nur zum römischen Flughafen gebracht werden.«
»Alles klar. Ich tue Ihnen Gefallen. Aber Sie tun mir auch Gefallen, oder ich lasse Sie hier an Straßenrand. Sie entscheiden.«
Groanin dachte einen Moment nach. »Also gut. Wenn Sie es so formulieren.«
Es dauerte etwa eine Stunde, bis Bruno Groanin mitteilte, dass sie nun die Ausläufer von Rom erreichten und er die Flinte an sich nehmen solle.
Groanin tat, wie ihm geheißen. Er legte sich die Waffe in den Schoß, obwohl er sicher war, sie keinesfalls benutzen zu können, sollten sie in Schwierigkeiten geraten. Er hatte noch nie etwas geschossen, abgesehen von ein oder zwei Hasen. Einer der Vorteile, für einen Dschinn zu arbeiten, bestand darin, dass Gewehre zur Selbstverteidigung vollkommen überflüssig waren.
Vielleicht wäre ihre Reise auch weiterhin ereignislos verlaufen,hätten sich nicht zwei unglückliche Ereignisse zugetragen. Das erste bestand darin, dass Bruno am Straßenrand ein hübsches Mädchen entdeckte, das ihm zuwinkte, woraufhin er stehen blieb, um ihr ein Eis zu verkaufen.
»He, was machen Sie da?«, fragte Groanin, als der Eiswagen mit lautem Geklingel neben dem Mädchen an den Straßenrand fuhr. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie wollten im Umkreis von Rom kein Eis verkaufen. Das wird der Mafia nicht gefallen.«
»Ich bin Eisverkäufer«, verteidigte sich Bruno. »Ich kann nicht anders. Das ist meine Job. Außerdem ist sie sehr hübsches Mädchen.«
Und damit hatte er auf jeden Fall recht. Doch wie sich herausstellte, wollte das Mädchen kein Eis, sondern eine Mitfahrgelegenheit, und da der Beifahrersitz des Eiswagens bereits besetzt war, musste Bruno ablehnen. Also fuhren sie weiter und bemerkten dabei das zweite Unglück, das darin bestand, dass der Wagen immer weiter »Parla più piano« dudelte.
Eine ganze Weile fand Groanin diesen Umstand nur ärgerlich, bis Bruno erwähnte, dass diese Melodie für die Mafia ein Ärgernis war, ja sogar als Beleidigung galt.
»Können Sie sie denn nicht irgendwie ausschalten?«, fragte Groanin, während sie durch eine von Graffiti verschmierte Vorstadt fuhren.
»Dafür muss ich Wagen anhalten«, gab Bruno zu. »Und das will ich hier nicht. Außerdem, sie folgen uns schon, glaube ich.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Hinter uns ist anderer Eiswagen. Er folgt uns schon fünf Kilometer.«
Groanin beugte sich vor und spähte in den Seitenspiegel. Bruno hatte recht: Etwa dreißig Meter hinter ihnen befand sich ein grünerEiswagen, und noch während Groanin hinsah, beschleunigte er und kam näher.
»Was werden die tun, wenn sie uns
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