Die Kinder des Dschinn Bd. 7 - Die Kristalle des Khan
Gefängnis gewandert. Konnte er da etwas anderes tun, als diesem wertlosen Kerl ebenfalls zu verzeihen?
Er legte den Hörer auf und packte den Schotten. Groanin hatte einen seiner Arme durch Dschinnkraft erhalten, der infolgedessen über besondere Kräfte verfügte. Das war vor allem dann praktisch, wenn es galt, Nimrods schwere Koffer zu tragen, während der Butler den Arm nur selten benutzte, um andere Leute einzuschüchtern. Jetzt allerdings hob er den Schotten mit seinem starken Arm langsam bis zur Decke hinauf. Was überaus einschüchternd war. Angus kreischte laut, als er mit dem Kopf die Decke streifte.
»Sei froh, dass ich so nachsichtig bin«, sagte Groanin.
»Vielen Dank, Sir.«
Groanin sah auf die Uhr. Es war fünf Uhr früh, und es schien wenig Zweck zu haben, sich wieder ins Bett zu legen.
»Ich sag Ihnen was«, sagte er. »Besorgen Sie mir ein Taxi, und wir sind quitt.«
»Jawohl, Sir. Sehr wohl, Sir.«
Groanin trug Angus zum Telefon und setzte ihn ab. Der Schotte wählte unverzüglich eine Nummer und sagte etwas auf Italienisch. Das ging mehrere Male so. Schließlich gestand er, dass in ganz Neapel kein Taxi aufzutreiben sei.
»Wegen des Eisenbahnstreiks«, erklärte er.
»Sehen Sie zu, dass ich irgendwie nach Rom komme, und zwar pronto«, knurrte Groanin, »sonst werden Sie feststellen, dass es keinen Mangel an Polizeiwagen gibt, die Leute ins Kittchen schaffen können.«
»Jawohl, Sir«, piepste Angus und griff wieder zum Telefonhörer.
Eine halbe Stunde später legte er mit erleichterter Miene auf.
»Alles klar«, sagte er. »Ich habe jemanden, der bereit ist, Sie nach Rom zu bringen. Es ist nicht unbedingt das, was man ein Auto nennen würde, aber ich kann Ihnen versichern, dass sich heute Morgen nichts anderes auftreiben lässt.«
»Wenn es kein Auto ist, was ist es dann?«
»Ein Lieferwagen«, sagte Angus. »Der Fahrer heißt Bruno Tataglia. Wie es aussieht, wollte Bruno sowieso nach Rom, um seine Mutter zu besuchen. Sie müssen ihm auch nichts dafür bezahlen. Er erweist mir damit einen Gefallen.«
Groanin nickte. »Ein Lieferwagen reicht mir.«
»Und Sie versprechen mir, nicht die Polizei zu rufen?«
»Wenn dieser Lieferwagen auftaucht, verspreche ich es. Wenn nicht, wandern Sie in den Bau.«
Eine Stunde später standen Groanin und Angus draußen vor dem Hotel neben dem Lederkoffer des Butlers und warteten auf seine Mitfahrgelegenheit nach Rom.
»Wo bleibt der Kerl?«
»Da kommt er gerade, Sir.«
Eine fröhliche Klingelmelodie verkündete die Ankunft des blassblauen Lieferwagens vor dem Eingang des Hotels. Auf dem Dach des Wagens saß eine riesige Waffel mit einer Kugel Eiscreme, die über die Ränder zu laufen schien, während die schwarzweißen Sitze im Innern des Eiswagens aussahen, als wären sie mit Kuhfell überzogen. Der Wagen trug die Aufschrift TUTSI-FRUTSI GELATI.
»Das ist ein verflixtes Eisauto!«, protestierte Groanin. »Vielleicht sollte ich Sie doch noch der Polizei übergeben, Sie unverschämter Gauner!«
»Das ist das einzige Transportmittel, das ich auftreiben konnte, ehrlich, Sir.« Angus zuckte die Achseln. »Wenn Sie mir mehr Zeit geben, kann ich vielleicht einen passenderen Ersatz finden, aber ausgerechnet heute … «
»Es muss reichen«, sagte Groanin. »Ich kann nicht länger warten.«
Der Lieferwagen hielt an und die Klingelmelodie verstummte. Dann wurde eine Fensterscheibe heruntergeleiert, und der Fahrer lehnte sich heraus.
Er war ein großer Mann mit kurz geschnittenem grauem Haar, einem stattlichen Bauch und Glupschaugen. Seine Stimme klang, als würde man Kohlen zertreten. Groanin fand ihn ziemlich furchterregend für einen Eisverkäufer. Er konnte sich nicht vorstellen, dass viele Kinder Lust hatten, bei jemandem Eis zu kaufen, der aussah wie ein Profiwrestler. Und zwar nicht wie irgendein Profiwrestler, sondern wie der Bösewicht im Ring, der brutale Ich-mach-dich-fertig-Typ.
»Ist das der Engländer?«, fragte Bruno.
»Ja«, sagte Angus, »das ist er.«
»Andiamo«,
sagte Bruno. »Wir fahren. Stellen Sie Tasche nach hinten und kommen Sie zu mir auf Kutschbock, Engländer. Okay?«
Groanin stellte seinen Koffer, wie geheißen, nach hinten und kletterte dann neben Bruno auf den Beifahrersitz. Beim Losfahren setzte die Klingelmelodie wieder ein.
Es dauerte ein paar Minuten, ehe Groanin das Gewehr hinter seinem Sitz bemerkte, und noch ein wenig länger, bis er den Mut zusammengerafft hatte, Bruno darauf anzusprechen. Allerdings
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