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Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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wie einen Befreier.
    »Zuerst haben wir versucht, gegen sie zu kämpfen«, erklärte einer der Xuanaci-Indios. »Aber als wir begriffen, dass sie gar nicht getötet werden können, sind wir weggerannt.«
    »Ihr könnt sie nicht töten, weil sie schon tot sind«, sagte Miesito.
    »Ah, das erklärt die Sache«, sagte der Xuanaci. »Und dann bist du mit diesen anderen Kriegern aufgetaucht. Sie kämpfen wirklich gut, muss ich sagen. Ohne Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit.«
    »Sie sind auch schon tot«, sagte Miesito.
    »Ah, das erklärt die Sache.«
    Der Xuanaci, mit dem sich Miesito unterhielt, ein Mann namens Niknax, erkannte ihn an seinem kleinen Kopf wieder. Er entschuldigte sich für das, was sie Miesito angetan hatten, und erklärte ihm, dass ihr Häuptling Pertinax an allem schuld gewesen sei.
    »Er war ein ganz schlechter Häuptling«, sagte Niknax. »Er hat uns so lange eingeredet, dass dein Stamm, die Prozuanaci, Krieg gegen uns führen will, bis wir Angst bekamen. Er war es, der wollte, dass wir Jagd auf Menschenschädel machen und Menschen essen. Ich selbst habe andere Leute noch nie besonders gern gegessen.« Seufzend schüttelte Niknax den Kopf. »Daran ist nicht zu rütteln. Pertinax war wirklich ein ganz schlechter Mensch.«
    »War?«, wiederholte Miesito. »Du hast ›war‹ gesagt.«
    »Pertinax und seine beiden Hexenmeister, Chenax und Condonax, sind tot«, sagte Niknax. »Die Konquistadoren haben sie zuerst umgebracht. Das wäre uns vielleicht allen so ergangen, wenn uns deine Inkakrieger nicht rechtzeitig zu Hilfe gekommen wären, Miesito.«
    Miesito und Niknax sahen zu, wie direkt unter dem Baum, auf dem sie saßen, einer der Konquistadoren einem Inkakönig den Kopf abschlug und im Gegenzug ebenfalls seinen Kopf verlor. Doch die beiden hackten unverdrossen weiter mit ihren Schwertern aufeinander ein, auch wenn sie nun meistens vorbeischlugen, weil sie nichts mehr sahen. Nur hin und wieder trafen sie und schlugen einander einen Arm oder ein Bein ab.Doch es floss kein Blut. Wie sich herausstellte, war es eines der unblutigsten Gemetzel, die Miesito je gesehen hatte.
    »Was glaubst du, wie lange das noch andauern wird?«, fragte Niknax.
    »Schwer zu sagen«, erwiderte Miesito, »immerhin bestehen beide Armeen aus Toten. Aber weißt du was, Niknax? Mir kam gerade der Gedanke, dass die Welt viel besser dran wäre, wenn alle Kriege von toten Soldaten ausgetragen würden. Dann könnte niemand ums Leben kommen.«
    »Du bist ein sehr weiser Mann, Miesito«, sagte Niknax.
    Miesito gähnte und kratzte sich den grapefruitgroßen Kopf. »Eigentlich nicht. Aber seit ihr meinen Kopf geschrumpft habt, sind meine Gedanken irgendwie, nun ja, konzentrierter. Früher habe ich mich immer gefragt, was wohl der Grund dafür ist. Aber jetzt weiß ich, dass es daran liegt, dass die meisten Leute mehr Hirn haben, als sie je brauchen werden. Weißt du, als Gott die Menschen erschuf, gab er ihnen ein Hirn, das groß genug war, um alles aufzunehmen, was sie in ungefähr einer Million Jahre dazulernen würden. Und das ist natürlich unglaublich viel. Aber im Moment brauchen die Leute neunundneunzig Prozent davon gar nicht. Jedenfalls nicht fürs Fernsehen oder Basketballschauen oder Rapmusik und anderen Kram, bei dem man überhaupt nicht nachdenken muss. Ich dagegen habe genau so viel Hirn, wie ich brauche, und kein Gramm mehr. Was bedeutet, dass ich nie einen überflüssigen Gedanken habe. Und dass ich mir um viele Dinge, die sowieso nie passieren werden, keine Gedanken machen muss.« Miesito lächelte. »Ihr könnt das natürlich nicht wissen, aber in Wirklichkeit habt ihr mir einen Gefallen getan.«
    Beeindruckt von Miesitos Weisheit nickte Niknax versonnen.
    »Hör mal«, sagte er. »Jetzt, wo Pertinax tot ist, brauchen die Xuanaci einen neuen Häuptling. Und du hörst dich an, als wärst du vielleicht genau der Richtige für den hohen Posten. Wir sind es alle leid, wild und kriegerisch zu sein. Wir wollen einfach in Frieden mit unseren Nachbarn zusammenleben. Also, wie findest du das?«
    Ehe er antwortete, dachte Miesito über diesen Einfall gründlich nach. Eigentlich gefiel es ihm, Dschungelführer zu sein. Gleichzeitig aber empfand er große Verantwortung für seinen Stamm und für alle Leute am oberen Amazonas. Die Prozuanaci hatten jahrelang in Furcht vor den Xuanaci gelebt. Vielleicht konnte er sie nun zusammenbringen. Miesito mochte einen ungewöhnlich kleinen Kopf haben, aber mit seinem Sinn für soziale

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